Finanzdienstleistungen und Marktinfrastrukturen & Brexit

Austritt aus der EU

Das Vereinigte Königreich ist mit Ablauf des 31. Jänner 2020 offiziell aus der Europäischen Union ausgetreten. Auf Basis eines dazu ausgehandelten Austrittsabkommens, welches mit 1. Februar 2020 in Kraft getreten ist, blieb der im Bereich der Finanzdienstleistungen und Marktinfrastrukturen maßgebliche EU-Rechtsbestand im Übergangszeitraum bis 31. Dezember 2020 weiterhin gegenüber dem Vereinigten Königreich anwendbar, sodass sich in diesen Bereichen bis dahin durch den Brexit für Bürgerinnen und Bürger sowie für Unternehmen keine Änderungen ergaben.

Knapp vor Ablauf des Übergangszeitraumes einigten sich die EU und das Vereinigte Königreich am 24. Dezember 2020 auf ein Handels- und Kooperationsabkommen, welches seit dem 1. Jänner 2021 vorläufig anwendbar ist. Ab diesem Zeitpunkt ist das Vereinigte Königreich nicht mehr Teil des EU-Binnenmarktes und der Zollunion. Somit endete auch der freie Personen-, Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU. Das Vereinigte Königreich schied damit ebenso aus allen internationalen Übereinkünften der EU aus und bildet seitdem einen von der EU getrennten Rechtsraum.

Informationen für Finanzdienstleistungsunternehmen und Marktinfrastrukturen

1. Allgemeine Informationen

In einer gemeinsamen Erklärung der EU und des Vereinigten Königreichs in Bezug auf Finanzdienstleistungen vom 28. Dezember 2020, erklärten beide Parteien, dass sie bis zum 31. März 2021 eine Vereinbarung in Form eines MoU treffen werden, die einen Rahmen für die künftige Zusammenarbeit in Bezug auf Finanzdienstleistungsregulierungen schaffen soll. Insbesondere soll damit der bilaterale Meinungsaustausch zu Regulierungsinitiativen gefördert werden, Transparenz betreffend die Annahme von Gleichwertigkeitsbeschlüssen zwischen dem Rechtsrahmen der EU und jenem des Vereinigten Königreichs geschaffen werden sowie die Zusammenarbeit und Koordinierung in Bezug auf internationale Gremien gestärkt werden. Dies alles vor dem Hintergrund, dass beide Parteien sich verpflichten, die Finanzstabilität, Marktintegrität sowie den Schutz von Anlegern und Verbrauchern zu wahren.  

Trotz dieser Vereinbarungen ist das Vereinigte Königreich im Bereich der Finanzdienstleistungen und Marktinfrastrukturen ab dem 1. Jänner 2021 wie ein Drittstaat zu behandeln. In den einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften wie z.B. BWG, VAG 2016, WAG 2018, ZaDiG 2018, FM-GwG, InvFG 2011, BaSAG, Verordnungen der Finanzmarktaufsicht und den EU-Rechtsvorschriften – so nichts Anderes festgelegt ist – sind Verweise auf Drittstaaten so zu lesen, dass sie das Vereinigte Königreich mitumfassen.

Sämtliche begünstigende Bestimmungen wiederum, die nur im Verhältnis zu EU/EWR-Staaten in Anspruch genommen werden können, finden daher für Vorgänge, die nach dem Eintritt des Brexit, d.h. ab dem 1. Jänner 2021mit dem Vereinigten Königreich stattfinden, keine Anwendung mehr.

Finanzdienstleistungsunternehmen und Marktinfrastrukturen, die derzeit geschäftliche Tätigkeiten durch Inanspruchnahme der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit zwischen dem Vereinigten Königreich und einem anderen Mitgliedstaat der EU unterhalten, sind jedenfalls durch den Brexit betroffen. Dies betrifft insbesondere:

  • Unternehmen und Fonds, die eine Niederlassung im Vereinigten Königreich haben und in der EU unternehmerische Tätigkeiten entfalten.
  • Unternehmen und Fonds mit Niederlassung in einem EU-Mitgliedsstaat, die unternehmerische Tätigkeiten im Vereinigten Königreich entfalten.

2. Rechtliches Rahmenwerk für Finanzdienstleistungsunternehmen nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs

Das britische Finanzministerium (HM Treasury) und die Bank of England (BoE) veröffentlichen laufend Informationen, die dazu beitragen sollen, ein funktionstüchtiges Regelwerk für Finanzdienstleistungen nach dem nunmehr erfolgten Austritt sicherzustellen:

Die britische Finanzmarktaufsichtsbehörde FCA hat unter anderem Informationen für Unternehmen veröffentlicht, die diese nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU unterstützen sollen:

3. Tochterunternehmen und Zweigniederlassungen im Vereinigten Königreich

Die Übergangsregeln zur Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU endeten am 31. Dezember 2020. Unternehmen, die künftig im Wege eines Tochterunternehmens oder einer Zweigniederlassung im Vereinigten Königreich tätig sein wollen, haben nun das Regelwerk des Vereinigten Königreichs anzuwenden und sollten gegebenenfalls mit der jeweils zuständigen britischen Regulierungsbehörde Kontakt aufnehmen.

4. Informationspflichten von Finanzdienstleistungsunternehmen

Die zentralen EU-Aufsichtsbehörden und Standardsetzer EBA, ESMA und EIOPA haben mehrfach auf die Bedeutung der umfassenden und korrekten Information von Kundinnen und Kunden hingewiesen und Erwartungshaltungen hinsichtlich einer Informationspflicht von Finanzdienstleistungsunternehmen gegenüber ihren Kundinnen und Kunden formuliert.

So erwartet beispielsweise die EBA, dass Finanzdienstleistungsunternehmen ihre Kundinnen und Kunden über folgende Sachverhalte informieren:

  • Die spezifischen Auswirkungen des Brexit auf betroffene Kundinnen und Kunden,
  • Maßnahmen, die das Unternehmen getroffen hat, um Beeinträchtigungen zu verhindern,
  • Umstrukturierungs- und Vorbereitungsaktivitäten des Unternehmens, insbesondere alle relevanten Änderungen der Vertragsbedingungen (zum Beispiel in Bezug auf das Einlagensicherungssystem) sowie
  • vertragliche und gesetzliche Rechte betroffener Kundinnen und Kunden.

Der österreichische Gesetzgeber hat zudem eine Verpflichtung für Versicherungsunternehmen mit Sitz im Vereinigten Königreich umgesetzt, um sicherzustellen, dass Versicherungsnehmer vor Vertragsabschluss und während der Laufzeit des Versicherungsvertrages auch über die Auswirkungen des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union informiert und diese Informationen gegebenenfalls unverzüglich aktualisiert werden.

5. Finanzdienstleistungsvertragsregime

Das Finanzdienstleistungsvertragsregime („Financial Services Contracts Regime”) der Bank of England (BoE) wiederum soll sicherstellen, dass jene EWR-Finanzdienstleistungsunternehmen, die sich gegen eine befristete Genehmigung (temporary permission regime - TPR) entscheiden, und jene Unternehmen, die das TPR ohne Bewilligung der Bank of England (BoE) verlassen, ihre Geschäftstätigkeiten im Vereinigten Königreich ordnungsgemäß abwickeln können:

Grundsätzlich kann aber der Verlust des Zugangs zu Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit in der EU durch den Brexit bei vertraglichen Beziehungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich die Vertragskontinuität beeinträchtigen. Bei Verträgen, die dem Recht des Vereinigten Königreichs unterliegen bzw. die Anwendbarkeit dieses Rechts vorsehen oder eine Vereinbarung über die Zuständigkeit eines Gerichts im Vereinigten Königreich enthalten, sollten die Vertragsparteien die Auswirkungen des Brexit auf die Gültigkeit und die Durchsetzbarkeit dieser Verträge prüfen und mögliche Risiken, einschließlich jener ihrer Kunden, begrenzen.

6. Finanzmarktinfrastrukturen

Die ESMA stellt Informationen über die konkrete Vorgehensweise bei einer möglichen Anerkennung von britischen Finanzmarktinfrastrukturunternehmen sowie über vorübergehend anerkannte britische Finanzmarktinfrastrukturen zur Verfügung:

Die britische Notenbank Bank of England (BoE) stellt Informationen zum Effekt des Brexit auf die Finanzmarktinfrastrukturen allgemein und über die konkrete Vorgehensweise bei einer möglichen Anerkennung von nicht-britischen Finanzmarktinfrastrukturunternehmen zur Verfügung:

7. Britische Finanzdienstleistungsunternehmen in Österreich

In Zusammenhang mit einer möglichen Sitzverlagerung britischer Finanzdienstleistungsunternehmen nach Österreich oder sonstigen, die Dienstleistungs- oder Niederlassungsfreiheit betreffenden Fragestellungen britischer Unternehmen, die mit Österreich Geschäftsbeziehungen unterhalten, empfiehlt das Bundesministerium für Finanzen die direkte Kontaktaufnahme mit der Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA), der Europäischen Zentralbank (EZB), der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) oder der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA).

8. Datenübermittlung

Finanzdienstleistungsunternehmen haben zu klären, ob ein Datentransfer persönlicher Daten mit dem Vereinigten Königreich erfolgt. Bis zu einer endgültigen Klarstellung seitens der hierfür zuständigen Stellen wäre insbesondere folgendes zu bedenken:

  • Das Ausmaß, in dem ihr Unternehmen abhängig vom Transfer persönlicher Daten ist (zum Beispiel der Sitz von Datenbanken und Datenverarbeitungszentren);
  • Welchen konkreten Risiken ihr Unternehmen ausgesetzt ist, wenn keine umfassende zentrale Lösung für den Transfer persönlicher Daten mit dem Vereinigten Königreich gefunden wird und welche Maßnahmen zu setzen sind, um diese Risiken entsprechend zu adressieren.

Informationen für Bürgerinnen und Bürger

1. Allgemeine Informationen

Seit dem 1. Jänner 2021 können im Vereinigten Königreich konzessionierte Finanzdienstleistungsunternehmen ihre Dienstleistungen nicht mehr grenzüberschreitend anbieten. Solche Unternehmen können aber weiterhin im Wege eines in der EU konzessionierten Unternehmens tätig sein. Für die meisten Österreicherinnen und Österreicher werden sich daher dadurch keine direkten Auswirkungen ergeben.

Bei grenzüberschreitendenden Zahlungen können nun allerdings höhere Entgelte entstehen, da die Verordnungen über grenzüberschreitende Zahlungen und über Interbankenentgelte für kartengebundene Zahlungsvorgänge, nicht mehr anwendbar sind. Auch kommen die Transparenzanforderungen für Währungsumrechnungen bei kartengebundenen Zahlungsvorgängen und Überweisungen, die eine Währungsumrechnung zwischen einer EU-Währung und dem britischen Pfund beinhalten, nicht mehr zur Anwendung. Das Vereinigte Königreich bleibt aber vorerst Mitglied des Europäischen Zahlungsraumes SEPA.

Kundinnen und Kunden können weiterhin Konten bei britischen Kreditinstituten unterhalten oder Geschäfte mit solchen Unternehmen abwickeln. Allerdings können abweichende Regelungen Anwendung finden (z.B. für die Einlagensicherung).

Finanzdienstleistungsunternehmen und Marktinfrastrukturen, die derzeit geschäftliche Tätigkeiten mit dem Vereinigten Königreich durch Inanspruchnahme der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit unterhalten, sind jedenfalls durch den Brexit betroffen. Dies betrifft insbesondere:

  • Unternehmen und Fonds, die eine Niederlassung im Vereinigten Königreich haben und mit der EU unternehmerische Tätigkeiten entfalten.
  • Unternehmen und Fonds mit Niederlassung in einem EU-Mitgliedsstaat, die unternehmerische Tätigkeiten mit dem Vereinigten Königreich entfalten.

Haben Kundinnen und Kunden Geschäftsbeziehungen zu solchen Unternehmen oder Fonds, sind direkte oder indirekte Auswirkungen möglich. Falls Sie überprüfen wollen, ob Ihr Finanzdienstleistungsunternehmen der britischen Aufsicht unterliegt, können Sie dies beispielsweise durch einen Einblick in das britische Financial Services Register, durch eine Überprüfung Ihrer Korrespondenz mit dem Unternehmen, der Unternehmens-Website oder durch direkte Kontaktaufnahme mit dem Unternehmen machen.

2. Informationen seitens Banken, Versicherungsunternehmen, Pensionskassen und Wertpapierfirmen

Finanzdienstleistungsunternehmen wurden durch die EU-Aufsichtsbehörden und Standardsetzer für Banken, Versicherungsunternehmen, Pensionskassen und Wertpapierfirmen EBA, ESMA und EIOPA angehalten, ihre durch den Brexit betroffenen Kundinnen und Kunden über folgende Sachverhalte zu informieren:

  • Die spezifischen Auswirkungen des Brexit auf betroffene Kundinnen und Kunden,
  • Maßnahmen, die das Unternehmen getroffen hat, um Beeinträchtigungen zu verhindern,
  • Umstrukturierungs- und Vorbereitungsaktivitäten des Unternehmens, insbesondere alle relevanten Änderungen der Vertragsbedingungen (zum Beispiel in Bezug auf das Einlagensicherungssystem) sowie
  • vertragliche und gesetzliche Rechte betroffener Kundinnen und Kunden.

Der österreichische Gesetzgeber hat eine Verpflichtung für Versicherungsunternehmen mit Sitz im Vereinigten Königreich vorgesehen, Versicherungsnehmer vor Vertragsabschluss und während der Laufzeit des Versicherungsvertrages auch über die Auswirkungen des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union zu informieren und diese Informationen gegebenenfalls unverzüglich zu aktualisieren.

3. Informationseinholung

Finanzdienstleistungsunternehmen wurden seitens der für sie zuständigen Behörden aufgefordert, ihre Kundinnen und Kunden aktiv von den sie betreffenden Änderungen zu informieren. Dennoch ist es Kundinnen und Kunden von Finanzdienstleistungsunternehmen, die Geschäftsbeziehungen ins Vereinigte Königreich haben oder im Vereinigten Königreich niedergelassen sind, oder die Verträge nach britischem Recht abgeschlossen haben, zu empfehlen, sich aktiv an die Finanzdienstleistungsunternehmen zu wenden, um sie betreffende, konkrete Änderungen einschätzen zu können.