Verständigungs- und Schiedsverfahren

Im Rahmen grenzüberschreitender Tätigkeiten kann es durch Maßnahmen zweier oder mehrerer Staaten zu Fällen (abkommenswidriger) Doppelbesteuerung kommen. Daher sehen verschiedene von Österreich abgeschlossene Ab- und Übereinkommen Mechanismen zur zwischenstaatlichen Verständigung vor, um derartige zwischenstaatliche Besteuerungskonflikte aufzulösen und um eine dem Abkommen entsprechende Besteuerung herzustellen.

Im Rahmen des Einzelfall-Verständigungsverfahrens wird auf Basis eines Antrags einer steuerpflichtigen Person versucht, möglichst formlos und auf kurzem Wege, eine Einigung mit den zuständigen Behörden des anderen involvierten Staates zu erreichen. Können die zuständigen Behörden der involvierten Vertragsstaaten auf der ersten Verfahrensebene (Verständigungsverfahren) trotz intensiven Bemühens innerhalb einer durch das DBA, der EU-Schiedskonvention oder des EU-Besteuerungsstreitbeilegungsgesetzes (EU-BStbG) bestimmten Frist, keine Einigung erreichen, so ist das Verfahren in der Regel dadurch beendet. Bei Anwendung gewisser Rechtsgrundlagen steht es der steuerpflichtigen Person jedoch in solchen Fällen offen, die Einleitung eines Schiedsverfahrens zu beantragen (siehe im Detail unter „Rechtsgrundlagen“).

Ziele

Verständigungsverfahren haben zum Ziel,

  • Die durch das Ab- oder Übereinkommen vorgesehene Aufteilung der Besteuerungsrechte sicherzustellen; und
  • die auf Ebene einer steuerpflichtigen Person entstehende ab- oder übereinkommenswidrige (Doppel-)Besteuerung zu beseitigen.

Rechtsgrundlagen

DBA

Österreich orientiert sich im Rahmen seiner Abkommenspolitik zu Verständigungs- und Schiedsverfahren an den Vorgaben des OECD-Musterabkommens. Alle der von Österreich abgeschlossenen DBA enthalten Regelungen zu Verständigungsverfahren. In einigen DBA ist des Weiteren auch ein Schiedsverfahren vorgesehen, um einem Besteuerungsfall nach erfolglosem Verständigungsverfahren einer endgültigen Lösung zuzuführen (siehe im Detail Anlage 3 der weiterführenden Information des BMF).

Weiterführende Informationen:

EU-Schiedskonvention

Zwischen den EU-Mitgliedstaaten wurde ein Schiedsübereinkommen abgeschlossen, welches nur bei Verrechnungspreis konflikten Anwendung findet. Führt das Verständigungsverfahren nicht innerhalb von zwei Jahren ab dem Tag, an dem der Fall erstmals vollständig und umfassend einer der zuständigen Behörden unterbreitet worden ist, zu einer Einigung, so sind die zuständigen Behörden der beteiligten Vertragsstaaten verpflichtet, einen Beratenden Ausschuss einzusetzen und dessen Stellungnahme einzuholen. Die zuständigen Behörden können diese Frist im Einvernehmen mit den beteiligten Unternehmen verlängern.

Weiterführende Informationen:

EU-BStbG

Österreich hat die EU-Streitbeilegungsrichtlinie durch das seit 1. September 2019 in Kraft stehende und ab dem Besteuerungszeitraum 2018 anwendbare EU-Besteuerungsstreitbeilegungsgesetz (EU-BStbG) umgesetzt. Das EU-BStbG sieht im Rahmen eines mehrstufigen Verfahrens eine verbindliche Streitbeilegung für innereuropäische Besteuerungskonflikte vor, die durch unterschiedliche Auslegung oder Anwendung von DBA oder der EU-Schiedskonvention entstehe. Wird ein Antrag auf Streitbeilegung nach EU-BStbG gestellt, stehen der steuerpflichtigen Person die Streitbeilegungsmechanismen nach DBA oder EU-Schiedskonvention nicht mehr zur Verfügung.

Weiterführende Informationen:

Einleitung des Verfahrens

Die Antragstellung hat durch den/die betroffene/n Steuerpflichtige/n (Abkommensberechtigte/n oder betroffene Person/en) oder dessen/deren bevollmächtigte/n VertreterIn (z.B. SteuerberaterIn), innerhalb der im jeweiligen DBA, EU-Schiedskonvention oder EU-BStbG vorgesehenen Frist und unter Vorlage der in der BMF-Info bzw. in § 9 EU-BStbG festgeschriebenen erforderlichen Informationen zu erfolgen.

Der Antrag auf Verständigungsverfahren nach DBA oder EU-Schiedsübereinkommen ist in der Regel bei der zuständigen Behörde des Ansässigkeitsstaats zu stellen. Im Gegensatz hierzu muss die Streitbeilegungsbeschwerde nach EU-BStbG in der Regel jeweils von jedem/r betroffene/n Steuerpflichtige/n bei der jeweils zuständigen Behörde jedes betroffenen Mitgliedstaates eingebracht werden.  

Der Antrag auf Einleitung eines Verständigungsverfahrens gemäß DBA oder EU-Schiedskonvention ist postalisch an das Finanzamt für Großbetriebe zu richten:

Finanzamt für Großbetriebe
Fachbereich II - Verständigungsverfahren
1000 Wien, Postfach 251
E-Mail: post.fag-verstaendigungsverfahren@bmf.gv.at

Die Einbringung einer Streitbeilegungsbeschwerde gemäß EU-BStbG hat in Österreich grundsätzlich elektronisch über FinanzOnline zu erfolgen. Weitere Informationen und eine Anleitung zur Beantragung finden Sie direkt in FinanzOnline unter der Rubrik Internationales Verständigungsverfahren und im folgenden Aufklapp-Feld. 

Für die Einbringung einer Streitbeilegungsbeschwerde (Erstantrag) sind folgende Eingaben erforderlich:

1. Finanzamts- und Steuernummer*

Dieses Feld ist – bei Vorliegen einer Anmeldung bei FinanzOnline – bereits vorausgefüllt. Alternativ ist hier die Steuernummer der betroffenen Person einzutragen.

2. Art der Eingabe*

In diesem Feld ist auszuwählen, um welche Art der Eingabe es sich handelt. Hierbei kann es sich um folgende Eingaben handeln:

  • Streitbeilegungsbeschwerde – Erstantrag
  • Antrag auf Zulassung durch den Beratenden Ausschuss
  • Antrag auf Einsetzung eines Schiedsgerichtes
  • Zustimmung zur Einigung
  • Zustimmung zur abschließenden Entscheidung
  • Sonstige Eingaben

Für die Einbringung einer Streitbeilegungsbeschwerde ist „Streitbeilegungsbeschwerde – Erstantrag“ auszuwählen. Alle weiteren Eingaben sind erst nach Einbringung einer Streitbeilegungsbeschwerde und in Bezug auf diese im Laufe des weiteren Verfahrens möglich.

3. Zeitraum*

In diesem Feld ist/sind das betroffene Steuerjahr bzw. der betroffene Besteuerungszeitraum einzutragen. Gemäß § 82 EU-BStbG sind ausschließlich Streitbeilegungsbeschwerden zulässig, die Besteuerungszeiträume beginnend ab dem 1. Jänner 2018 betreffen.

Betrifft die Streitfrage nur ein Steuerjahr, ist dieses im Feld „Zeitraum“ im Format JJJJ einzutragen. Sind hingegen mehrere Jahre von der Doppelbesteuerung betroffen, sind in den Feldern „Zeitraum von“ das erste und „Zeitraum bis“ das letzte betroffene Steuerjahr jeweils im Format JJJJ einzutragen.

Weiter

4. Referenznummer*

In diesem Feld ist durch den Antragsteller eine Referenznummer frei zu vergeben, welche bei jeder weiteren Korrespondenz mit der österreichischen zuständigen Behörde anzugeben ist.

5. Inhalt*

In diesem Feld ist auszuwählen, um welche Art der Streitfrage es sich handelt:

  • Verrechnungspreise (z.B. Streitfragen der Gewinnzurechnung zwischen verbundenen Unternehmen oder zwischen einer Betriebsstätte und ihrem Stammhaus)
  • Sonstige Streitfrage (z.B. Streitfragen im Zusammenhang mit der steuerlichen Ansässigkeit der betroffenen Person).

6. Betroffene Mitgliedstaaten*

In diesem Feld sind alle betroffenen EU-Mitgliedstaaten auszuwählen. Für Mehrfachnennungen ist die Taste STRG gedrückt zu halten. Die gewählten EU-Mitgliedstaaten werden anschließend gesondert angezeigt.

7. Angaben zum Sachverhalt*

In diesem Textfeld sind alle für die Streitfrage wesentlichen Aspekte des streitgegenständlichen Sachverhalts zu schildern und insbesondere durch folgende Punkte zu konkretisieren (vgl. § 9 Abs. 1 EU-BStbG):

  • Angaben zur Struktur der Transaktion und zu den Beziehungen zwischen der/den betroffenen Person/en und den anderen an der maßgeblichen Transaktion Beteiligten,
  • allfällige Angaben zu für beide Seiten (verbindlichen) Vereinbarungen zwischen der betroffenen Person und der Abgabenbehörde,
  • Angaben zum Einkommen, das in den betroffenen EU-Mitgliedstaaten eingegangen ist und zur Einbeziehung dieses Einkommens in das steuerpflichtige Einkommen,
  • Angaben zu den Steuern auf dieses Einkommen, die bereits in den betroffenen EU-Mitgliedstaaten erhoben wurden oder erhoben werden sollen in den Währungen der betroffenen EU-Mitgliedstaaten (im Format 1.000,00), wobei hervorgehen muss, inwieweit die betroffene Person steuerlich von der Streitfrage berührt ist (beispielsweise sind Berechnungen der etwaigen Doppelbesteuerung als Anhang beizulegen) und
  • Angaben zur Art und zum Zeitpunkt der Maßnahmen der betroffenen EU-Mitgliedstaaten, die zur Streitfrage führen bzw. geführt haben (inkl. Beilage der relevanten Dokumente als Anhang), wobei dies beispielsweise der Abgabenbescheid, Prüfungsbericht oder andere vergleichbare Dokumente sein können (im Format TT.MM.JJJJ).

Das Eingabefeld ist auf 2.000 Zeichen beschränkt. Sollte eine längere Beschreibung erforderlich sein, kann auf eine längere Version, die dem Anhang beifügt wird, verwiesen werden.

8. Angaben zu den einschlägigen Vorschriften*

In diesem Textfeld sind Angaben zu allen einschlägigen Vorschriften vorzunehmen. Es handelt sich hierbei um einschlägige nach dem Recht aller betroffenen EU-Mitgliedstaaten geltende Vorschriften sowie um einschlägige Vorschriften des auf die Streitfrage anzuwendenden DBA oder des EU-Schiedsübereinkommens.

Das Eingabefeld ist auf 1.000 Zeichen beschränkt. Sollte eine längere Beschreibung erforderlich sein, kann auf eine längere Version, die dem Anhang beifügt wird, verwiesen werden.

9. Begründung der Streitfrage*

Die Streitfrage ist zu begründen. Insbesondere ist in diesem Textfeld anzugeben, warum aus der Sicht der betroffenen Person eine Streitfrage vorliegt.

Das Eingabefeld ist auf 2.000 Zeichen beschränkt. Sollte eine längere Beschreibung erforderlich sein, kann auf eine längere Version, die dem Anhang beifügt wird, verwiesen werden.

10. Angaben zu eingelegten Rechtsmitteln/ Gerichtsverfahren

Eine Streitbeilegungsbeschwerde kann unabhängig von einem laufenden nationalen Rechtsmittelverfahren eingebracht werden. Ein laufendes Rechtsmittelverfahren hat jedoch Auswirkungen auf den weiteren Verfahrensablauf nach dem EU-BStbG (z.B. § 16 EU-BStbG). Sind bereits Gerichtsentscheidungen in derselben Streitfrage im In- oder Ausland ergangen, so sind diese der Streitbeilegungsbeschwerde als Anhang beizulegen. Laufende Rechtsmittelverfahren (sowohl im Inland als auch im Ausland) in derselben Streitfrage sind in diesem Textfeld anzugeben und alle dazu ergangenen Schriftstücke als Anhang beizulegen. Sind derartige Verfahren anhängig oder bereits entschieden, ist dieses Textfeld verpflichtend auszufüllen.

Das Eingabefeld ist auf 1.000 Zeichen beschränkt. Sollte eine längere Beschreibung erforderlich sein, kann auf eine längere Version, die dem Anhang beifügt wird, verwiesen werden.

11. Angaben zu bereits vorhandenen Verständigungs- oder Schiedsverfahren

In diesem Textfeld sind bereits vorhandene Verständigungs- oder Schiedsverfahren in derselben Streitfrage nach anderen Rechtsgrundlagen als dem EU-BStbG (z.B. nach DBA oder EU-Schiedsübereinkommen) einzutragen und alle dazu ausgetauschten Dokumente als Anhang beizulegen (zB Antrag auf Einleitung des Verständigungs- oder Schiedsverfahrens). Sind derartige Verfahren vorhanden, ist dieses Textfeld verpflichtend auszufüllen.

Das Eingabefeld ist auf 2.000 Zeichen beschränkt. Sollte eine längere Beschreibung erforderlich sein, kann auf eine längere Version, die dem Anhang beifügt wird, verwiesen werden.

12. Anhang

In diesen Feldern sind alle Anhänge anzufügen. Die Auswahl und Beifügung des relevanten Anhangs erfolgt über das Feld „Datei auswählen“. Die Größe der Anhänge ist mit jeweils 5 MB begrenzt.

13. Antrag senden*

Der Antrag kann nur abgesendet werden, wenn sich die betroffene Person durch Setzung eines Häkchens

1) verpflichtet, alle angemessenen Anfragen der österreichischen zuständigen Behörde so vollständig und so rasch wie möglich zu beantworten und auf Anfrage der österreichischen zuständigen Behörde alle Unterlagen zu übermitteln (vgl. § 9 Abs. 1 Z 8 EU-BStbG);

sowie

2) einverstanden erklärt, dass durch das Einbringen dieser Streitbeilegungsbeschwerde jedes angeregte laufende Verständigungs- oder Streitbeilegungsverfahren aufgrund eines Abkommens oder Übereinkommens in derselben Streitfrage für denselben Zeitraum beendet wird (vgl. § 13 EU-BStbG).

Ist die elektronische Einbringung mangels technischer Voraussetzungen oder mangels Teilnahmeberechtigung unzumutbar, so hat die Einbringung postalisch an oben genannte Adresse und unter Verwendung der nachfolgenden Formulare zu erfolgen:

Nach Eingang des Antrags bzw. der Streitbeilegungsbeschwerde, werden die Voraussetzungen für die Einleitung eines Verständigungsverfahrens bzw. einer Streitbeilegungsbeschwerde geprüft. Nur bei begründeter formeller und materieller Zulässigkeit und wenn in Österreich nicht innerstaatlich Abhilfe geschaffen werden kann, wird das zwischenstaatliche Verfahren eingeleitet.

Kosten

Die Vertragsstaaten tragen die ihnen durch das Verständigungs- bzw. Streitbeilegungsverfahren entstandenen Kosten selbst. Die der steuerpflichtigen Person entstandenen Kosten werden nicht ersetzt. Die Beantragung von Verständigungsverfahren ist nicht gebührenpflichtig.

Vorübergehende Entlastung im Verfahren

Während ein Verständigungs- bzw. Streitbeilegungsverfahren geführt wird, besteht für die steuerpflichtige Person die Möglichkeit zur vorübergehenden Entlastung der Doppelbesteuerung, indem eine Aussetzung der Einhebung oder eine Festsetzung von Beschwerdezinsen erwirkt wird.

Aussetzung der Einhebung

Für die Dauer eines Verständigungsverfahrens bzw. schiedsgerichtlichen Verfahrens nach allen Rechtsgrundlagen kann der Abgabepflichtige eine vorübergehende Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a Abs. 2a BAO erwirken. Die Voraussetzungen dafür sind wie folgt:

  • Einhebung der Abgabe noch nicht erfolgt
  • Keine Stundung (§ 212 BAO) oder Aussetzung der Einhebung (§ 212a Abs 1 BAO) beantragt
  • Keine Gefährdung der Einbringlichkeit § 212a Abs. 2 BAO
  • Keine Ausnahme gem. § 212a Abs. 6 BAO

Vorgehensweise: Der Abgabepflichtige hat zunächst die Einleitung eines Verständigungsverfahrens zu beantragen. Gemeinsam mit diesem Antrag oder danach hat er einen Antrag gemäß § 48 Abs. 1 BAO an die zuständige Behörde (s.o.) zu stellen. Diese stellt einen Feststellungsbescheid aus. Nach erfolgter Feststellung kann der kann der Abgabepflichtige – unter Beilegung des Feststellungsbescheids gem. § 48 Abs. 1 BAO – einen Antrag auf Aussetzung der Einhebung gem. § 212a Abs. 2a BAO an das zuständige Finanzamt stellen.

Wirkung: Die Abgabenschuld ist bis zum Ende des Verständigungsverfahrens oder, im Falle der sofortigen Beantragung eines Schiedsverfahrens, bis zum Ende des Schiedsverfahrens gültig. Das Finanzamt stellt den Ablauf der Aussetzung der Einhebung mit Bescheid fest.

Zinsenansprüche

Ist die strittige Abgabenschuld bereits (teilweise) bezahlt worden, dann ist für den bezahlten Anteil keine Aussetzung der Einhebung mehr möglich. Es besteht hierfür jedoch die Möglichkeit der Festsetzung von Beschwerdezinsen. Diese fallen jedoch nur im Fall einer Herabsetzung des Abgabenbetrags infolge des Verständigungs- oder Schiedsverfahrens an.

Vorgehensweise: Es muss ebenfalls zunächst ein Antrag gemäß § 48 Abs. 1 BAO an die zuständige Behörde (s.o.) gestellt werden. In weiterer Folge ist ein Antrag auf Festsetzung der Zinsen gemäß § 205a Abs. 2a BAO beim zuständigen Finanzamt zu stellen. Dabei ist der Feststellungsbescheid beizubringen.

Wirkung: Die Zinsen fallen für den Zeitraum ab Entrichtung der Abgabe bis zur Bekanntgabe des die Abgabe herabsetzenden Bescheides an.

Weiterführende Informationen zum Ablauf von Verständigungs- und Schiedsverfahren

Letzte Aktualisierung: 12. März 2024