Wie läuft ein Finanzstrafverfahren ab? Der Gang des verwaltungsbehördlichen Verfahrens

Die Finanzverwaltung verfügt über ein engmaschiges System aus Mitteilungen und Verständigungen. Sämtliche Behörden, die Österreichische Gesundheitskasse und das Arbeitsmarktservice sind verpflichtet, die ihnen zur Kenntnis gelangten finanzstrafrechtlich relevanten Sachverhalte an das Amt für Betrugsbekämpfung oder Zollamt Österreich als Finanzstrafbehörden zu melden.

(Vor-) Erhebungen

Die Finanzstrafbehörden müssen alle ihnen zukommenden Anzeigen, Verständigungen und Mitteilungen darauf prüfen, ob genügende Verdachtsgründe für die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens vorliegen.

Diese Prüfung wird sehr sorgfältig vorgenommen, um möglichst ungerechtfertigte Beschuldigungen zu vermeiden. Bevor das Finanzstrafverfahren tatsächlich eröffnet wird, kann die Finanzstrafbehörde Informationen anderer Behörden und Auskünfte von Firmen und Privatpersonen (von jeder/jedem) einholen. Sie wird möglicherweise zur konkreten Abklärung des Sachverhaltes auch den Kontakt mit Ihnen aufnehmen, um Sie zu befragen. Auch wenn Sie als Verdächtige/r zur Aussage nicht gezwungen werden können und über die besonderen Rechte einer/eines Beschuldigten verfügen, empfehlen wir Ihnen, sich Zeit zu nehmen und jedenfalls die Möglichkeit zur Rechtfertigung zu nutzen! Es lassen sich oft unangenehme und unnötige Folgen vermeiden.

Eine Vorladung von der Finanzstrafbehörde – was tun?

Hinweis

Wichtig! Lesen Sie sich jede Vorladung aufmerksam durch und achten Sie vor allem darauf, in welcher Eigenschaft (ob als Verdächtige/r, Beschuldigte/r, Zeugin/Zeuge, Auskunftsperson etc.) Sie vorgeladen sind. Daraus ergeben sich nämlich für Sie unterschiedliche Rechte und Pflichten, die für den Ablauf des weiteren Verfahrens von großer Bedeutung sein können:

Vorladung als Verdächtige/r oder Beschuldigte/r

Leisten Sie dieser Vorladung in Ihrem eigenen Interesse unbedingt Folge! Es lassen sich oftmals Unklarheiten und Missverständnisse im Zusammenwirken mit den Bediensteten direkt vor Ort aufklären.  

Das Schlechteste das Sie jetzt tun können ist, überhaupt nicht zu reagieren, in der Hoffnung, die Sache erledigt sich von selbst. Dies ist meistens leider nicht der Fall!

Wenn Sie der Vorladung unentschuldigt nicht nachkommen, hat die Finanzstrafbehörde das Verfahren weiter fortzuführen und allenfalls Mittel einzusetzen, die für Sie unangenehme Folgen haben könnten. So könnten Sie etwa von der Polizei vorgeführt werden. Überdies stellt eine geständige Verantwortung einen wesentlichen Milderungsgrund dar, der sich im Falle einer doch nicht zu vermeidenden Bestrafung auf die Höhe einer allenfalls zu verhängenden Geld- oder Freiheitsstrafe auswirkt!

Darum empfehlen wir Ihnen: Suchen Sie das persönliche, offene Gespräch mit den speziell geschulten Bediensteten der Finanzstrafbehörden. Sämtliche Ihrer Daten und Angaben unterliegen der Amtsverschwiegenheit und dürfen an unbefugte Personen nicht weitergegeben werden.

Verteidigung

Zum Vorladungstermin dürfen Sie eine/n Verteidiger/in beiziehen oder, wenn Ihr persönliches Erscheinen nicht ausdrücklich gefordert ist, eine/n solche/n entsenden.

Zur Verteidigung befugt sind die in § 48 Abs 1 Z 5 StPO genannten Personen, wie Rechtsanwältinnen/Rechtsanwälte, Notarinnen/Notare, Personen, welche die Lehrbefugnis für Strafrecht oder Strafprozessrecht an einer inländischen Universität erworben haben, und Steuerberater/innen. Unter bestimmten Voraussetzungen haben Sie als Beschuldigte/r in Spruchsenatsverfahren das Recht, unentgeltlich eine/n Verteidiger/in zu beantragen, soweit dies zu Ihrer Verteidigung erforderlich ist (§ 77 FinStrG). Erkundigen Sie sich bitte in der zuständigen Finanzstrafbehörde!

Sollten Sie ohne Verteidiger/in zum Ladungstermin erscheinen, werden Ihnen die dortigen Bediensteten den weiteren Gang des Verfahrens erklären, Sie hinsichtlich Ihrer Rechte belehren und Sie hinsichtlich der weiteren Verfahrensabläufe anleiten. Es ist aber nicht deren Aufgabe, Tipps für die Art Ihrer Verteidigung zu geben.

Aufforderung zur schriftlichen Stellungnahme als Verdächtige/r oder Beschuldigte/r

Es gelten im Wesentlichen die unter Vorladung als Verdächtige/r oder Beschuldigte/r getroffenen Ausführungen sinngemäß. Auch hier gilt: Reagieren Sie rechtzeitig und lassen Sie die Angelegenheit nicht auf sich beruhen!

Vorladung als Zeugin/Zeuge oder Auskunftsperson

Sie halten soeben eine Zeugenladung/Vorladung als Auskunftsperson in Händen? Was ist zu tun?

Prinzipiell ist jede/r zur wahrheitsgemäßen Zeugenaussage verpflichtet. Eine falsche Zeugenaussage ist, auch vor einer Verwaltungsbehörde, gerichtlich strafbar.

Wenn Sie aus wichtigen Gründen (z.B. Krankheit, lange geplanter Urlaub, Geschäftsreise) voraussichtlich zum Ladungstermin nicht erscheinen können, sollten Sie unverzüglich mit der Behörde, von der Sie die Ladung erhalten haben, Kontakt aufnehmen! Vereinbaren Sie einen neuen, für Sie einhaltbaren Termin und nehmen Sie diesen auch wahr!

Bringen Sie zum Ladungstermin auch jene Beweismittel, Gegenstände, Schriftstücke, Urkunden und Geschäftsbücher mit, die auf der Vorladung angeführt sind.

Sie sind grundsätzlich zur Zeugenaussage verpflichtet. Unter bestimmten Voraussetzungen sind Sie jedoch berechtigt, die Aussage zu verweigern:

  • Sie sind Angehörige/r der/des Beschuldigten oder der/des Nebenbeteiligten 
  • Es werden Fragen an Sie gerichtet, deren Beantwortung Sie oder einen Ihrer Angehörigen einer strafgerichtlichen oder finanzstrafbehördlichen Verfolgung aussetzen würde 
  • Ihre Aussage würde für Sie oder eine/n Ihrer Angehörigen einen bedeutenden Vermögensnachteil bringen oder zur Schande gereichen. Die Finanzstrafbehörde hat allerdings die Möglichkeit, trotzdem eine Aussage zu verlangen, wenn diese von entscheidender Bedeutung für das Verfahren ist
  • Durch Ihre Aussage müssten Sie eine gesetzlich anerkannte Verschwiegenheitspflicht, von der Sie nicht entbunden wurden, verletzen oder Betriebsgeheimnisse offenbaren
  • Als zur berufsmäßigen Parteienvertretung Befugte/r oder Hilfskraft einer zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugten Person können Sie die Aussage hinsichtlich des von Ihnen als Vertreter/in zur Kenntnis Gelangten verweigern

Bitte beachten Sie, dass Sie in all diesen Fällen Ihre Weigerungsgründe glaubhaft machen müssen! Nehmen Sie daher in jedem Fall Kontakt mit der Behörde auf und übermitteln Sie bzw. bringen Sie gegebenenfalls entsprechende Unterlagen mit!

Zu Beginn Ihrer Vernehmung werden Sie eine eingehende Rechtsbelehrung erhalten.

Sollten Ihnen im Zusammenhang mit Ihrer Einvernahme Reise- und Aufenthaltskosten entstanden sein, können Sie diese binnen 14 Tagen bei der Behörde geltend machen, bei der die Einvernahme durchgeführt wurde. Unter bestimmten Voraussetzungen haben Sie auch Anspruch auf Entschädigung für Zeitversäumnis. Hierüber werden Sie im Zuge Ihrer Einvernahme belehrt werden.

Aufforderung zur schriftlichen Zeugenaussage/Auskunft

Unter der Voraussetzung, dass die Finanzstrafbehörde Ihr persönliches Erscheinen nicht für notwendig erachtet, kann Ihre Aussage auch schriftlich eingeholt werden (§ 102 Abs 3 FinStrG). Die unter Vorladung als Zeugin/Zeuge oder Auskunftsperson angesprochenen Bestimmungen gelten sinngemäß.

Einleitung des Verfahrens

Haben die Erhebungen der Finanzstrafbehörde ergeben, dass konkrete Verdachtsgründe vorliegen, hat sie das Finanzstrafverfahren einzuleiten. Sie werden hiervon in der Regel mit einer schriftlichen (Einleitungs-)Verfügung verständigt. Gegen die Einleitung des Verfahrens ist kein Rechtsmittel zulässig. Zu diesem Zeitpunkt wird aber ohnedies noch nicht über Schuld und Bestrafung entschieden! Es werden Ihnen vielmehr die konkreten Umstände mitgeteilt, die die Einleitung des Finanzstrafverfahrens notwendig gemacht haben. Außerdem werden jene Vergehen bekannt gegeben, die Ihnen zur Last gelegt werden. Ab nun sind Sie Beschuldigte/r im Finanzstrafverfahren und genießen besondere Rechte.

Vereinfachtes Verfahren

Strafverfügung

Wenn der Sachverhalt nach Ansicht der Finanzstrafbehörde ausreichend geklärt ist und Sie Gelegenheit zur Stellungnahme hatten, kann die Finanzstrafbehörde eine so genannte Strafverfügung gemäß § 143 FinStrG erlassen. In diesem Fall unterbleibt die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, was eine Vereinfachung des Verfahrens darstellt.

Einspruch

Gegen die Strafverfügung können Sie binnen einem Monat bei der Finanzstrafbehörde, die die Strafverfügung erlassen hat, Einspruch erheben. Dieser Einspruch ist schriftlich zu erstatten und an keine spezielle Form gebunden. Er setzt die Strafverfügung außer Kraft. Das Finanzstrafverfahren wird dann als Untersuchungsverfahren mit einer mündlichen Verhandlung fortgeführt, wobei Sie unabhängig von der Höhe der Verkürzungsbeträge das Recht haben, die Fällung eines Erkenntnisses durch den Spruchsenat zu beantragen. 

Mündliche Verhandlung

Wenn ein vereinfachtes Verfahren nicht möglich ist oder gegen eine im vereinfachten Verfahren ergangene Strafverfügung rechtzeitig ein Einspruch erhoben wurde, ist eine mündliche Verhandlung bei der Finanzstrafbehörde oder beim Spruchsenat als Organ der Finanzstrafbehörde durchzuführen. Im Zuge dieser können Sie eventuell noch nicht berücksichtigte Beweise vorlegen oder entsprechende Beweisanträge stellen.

Die Organe der Finanzstrafbehörde (die Einzelbeamtin/der Einzelbeamte oder der Spruchsenat) fällen bei Vorliegen sämtlicher Untersuchungsergebnisse ein Erkenntnis, welches entweder auf Einstellung des Verfahrens oder auf Bestrafung lautet. 

Einstellung des Verfahrens

Sind die Ihnen vorgeworfenen Finanzvergehen nicht nachweisbar oder stellt sich heraus, dass Sie die Tat nicht begangen haben, hat die Finanzstrafbehörde das Verfahren mit Bescheid einzustellen. Dies gilt auch wenn z.B. Gründe vorliegen, welche Ihre Tat rechtfertigen, Ihre Schuld bzw. die Strafbarkeit ausschließen oder aufheben.

Rechtsmittel

Gegen alle im Finanzstrafverfahren ergehenden Erkenntnisse, sonstigen Bescheide oder gegen Maßnahmen in Ausübung unmittelbarer finanzstrafbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt steht Ihnen das Rechtsmittel der Beschwerde zu. Eine Beschwerde ist jedoch nicht zulässig, wenn eine solche vom Gesetz ausgeschlossen ist.

Was versteht man unter der Ausübung unmittelbarer finanzstrafbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt?

Beispiel

  • Im Zuge einer Amtshandlung haben Organe des Finanzamtes bei Gefahr im Verzug Unterlagen beschlagnahmt. Da für diesen Akt finanzstrafbehördlicher Zwangsgewalt kein Bescheid ergeht, besteht die Möglichkeit der Beschwerde gegen die Beschlagnahme.

Beschwerde gegen Erkenntnisse

Die Beschwerde kann bis längstens einen Monat nach Zustellung des von Ihnen angefochtenen Erkenntnisses eingebracht werden und hat aufschiebende Wirkung. Die Beschwerde ist bei der Finanzstrafbehörde, die das angefochtene Erkenntnis erlassen hat, einzubringen. Die Entscheidung über dieses Rechtsmittel fällt das Bundesfinanzgericht.

Wurde ein Erkenntnis mündlich verkündet und waren Sie bei der Verkündung anwesend oder zumindest vertreten, müssen Sie die Beschwerde innerhalb einer Woche schriftlich oder mündlich anmelden. Ist keine entsprechende Anmeldung erfolgt, wäre eine dennoch eingebrachte Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen.

Beschwerde gegen sonstige Bescheide oder die Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt

Die Beschwerde kann bis längstens einen Monat nach Zustellung des von Ihnen angefochtenen Bescheides oder der Kenntnis von der in Ausübung unmittelbarer finanzstrafbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gesetzten Maßnahme eingebracht werden und hat grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung. Diese kann jedoch unter bestimmten Umständen auf Antrag zuerkannt werden.  

Was muss die Beschwerde enthalten?

  • Die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides,
  • die Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird,
  • die Erklärung, welche Änderungen beantragt werden,
  • eine Begründung und
  • evtl. neue Beweise.

Die Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer finanzstrafbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt hat zu enthalten:

  • Bezeichnung des angefochtenen Verwaltungsaktes,
  • soweit dies zumutbar ist, eine Angabe darüber, welches Organ den angefochtenen Verwaltungsakt gesetzt hat,
  • den Sachverhalt,
  • die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt,
  • das Begehren, den angefochtenen Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären und
  • Angaben, die zur Beurteilung der fristgerechten Einbringung der Beschwerde erforderlich sind.
Letzte Aktualisierung: 1. Jänner 2024