Steuerliche Anerkennung von „gespaltenen Gewinnverwendungen im engeren Sinn“

Anfragebeantwortung vom 14.05.2025

Unter einer gespaltenen Gewinnverwendung ieS versteht man eine Konstellation, in der Gewinne nur an bestimmte Gesellschafter ausgeschüttet werden, wohingegen den anderen Gesellschaftern ein entsprechendes Gewinnvorrecht für künftige Jahre eingeräumt wird. Die den anderen Gesellschaftern zugeordneten Gewinnanteile werden in der GmbH somit thesauriert (bilanzrechtlicher Ausweis im Bilanzgewinn oder in den Gewinnrücklagen) und stehen für Gewinnausschüttungen an die anderen Gesellschafter in künftigen Geschäftsjahren zur Verfügung. Anders als bei „typischen“ alinearen Gewinnausschüttungen erfolgt die rechnerische Aufteilung der Gewinnanteile nicht (bzw. nicht begriffsnotwendig) abweichend von den Stammeinlagen. Lediglich die Auszahlung erfolgt zeitlich versetzt (s Wimmer, taxlex 2021/23, Punkt A., B.3).

Im Ausgangspunkt ist festzuhalten, dass § 27 Abs. 2 Z 1 lit. a EStG nicht danach differenziert, ob Gewinne alinear oder linear zufließen. Zivilrechtlich ordnungsgemäß zustande gekommene alineare Gewinnausschüttungen sind demnach grundsätzlich steuerlich anzuerkennen (s Raab/Renner in Lachmayer/Strimitzer/Vock KStG Kommentar, § 8 KStG Rz 383 mVa BFG 10.09.2018, RV/7101840/2015 mwN). Die KStR Rz 549 sehen für die steuerliche Anerkennung einer von den Beteiligungsverhältnissen abweichenden, alinearen Gewinnausschüttung zwei Kriterien vor: gesellschaftsvertragliche Deckung und wirtschaftliche Begründung.

Laut BFH vom 28.09.2021, VIII R 25/19 Seite 3 Rz 16 ist es „weder untypisch noch unangemessen“, dass die Gesellschafterversammlung entscheidet, in einem Jahr nur an bestimmte Gesellschafter einen Gewinn auszuschütten und den Gewinnanteil der übrigen Gesellschafter vorerst einzubehalten. Laut BFH aaO sprechen im Wesentlichen folgende Überlegungen für die steuerliche Anerkennung: Ob und in welchem Umfang Gewinne thesauriert oder ausgeschüttet werden und ob thesaurierte Gewinne vorgetragen werden oder eine allgemeine Gewinnrücklage zu bilden ist, bestimmen die Gesellschafter im Gewinnverwendungsbeschluss (s BFH, Rz 12 bis 13). Da ohnehin für spätere Ausschüttungen aus einer derartigen Gewinnrücklage erneut ein Gewinnverwendungsbeschluss zu fassen ist und der Gewinn in solchen Fällen dem von der personenbezogenen Rücklage betroffenen Gesellschafter zuzurechnen ist, sind zeitlich disquotale Gewinnausschüttungen bei gesellschaftsrechtlicher Zulässigkeit steuerlich anzuerkennen (s BFH, Rz 13). Selbst wenn der Gesellschafter, dessen Gewinnanteil thesauriert wurde, beherrschender Gesellschafter wäre, kann eine Ausschüttung des thesaurierten Gewinnanteiles nicht fingiert werden, da dies der steuerlichen Anerkennung der gesellschaftsrechtlich zulässigen Beschlüsse entgegenstehen würde; zudem begründet die Bildung der personenbezogenen Rücklage keinen konkreten Auszahlungsanspruch (s BFH, Rz 23). Selbst wenn der beherrschende Gesellschafter über die erforderliche Stimmenmehrheit für einen erneuten Ausschüttungsbeschluss verfügt, besteht dennoch keine Gewissheit darüber, ob dieser die Ausschüttung zu einem späteren Zeitpunkt durchsetzen kann, da dies beispielsweise im Verlustfall nicht möglich ist (s BFH, Rz 24 mwN). Die bloße Möglichkeit der Ausschüttung an sämtliche Gesellschafter begründete auch keine steuerliche Versagung aufgrund von Missbrauch iSd § 42 AO, da die gespaltene Gewinnverwendung der Innen- und Selbstfinanzierung diente und auf anzuerkennenden wirtschaftlichen Gründen beruhte, konkret das unterschiedliche Interesse der jeweiligen Gesellschafter bezüglich des Zeitpunktes der Ausschüttung (s BFH, Rz 16 bis 17).

Die Rsp des BFH entspricht der im österreichischen Schrifttum aaO vertretenen Ansicht, wonach gespaltene Gewinnverwendungen auch nach österreichischem Gesellschafts- und Steuerrecht anzuerkennen sind (s insb. Wimmer, taxlex 2021/23, Punkt B.3).

 

Wir ersuchen daher um Bestätigung unserer Rechtsansicht, dass iSd KStR Rz 549 ein Gesellschafterbeschluss zur „gespaltenen Gewinnverwendung ieS“ steuerlich anzuerkennen ist, wenn

  1. dafür im Gesellschaftsvertrag Vorsorge getroffen wurde,
  2. die rechnerische Aufteilung der Gewinnanteile entsprechend den Stammeinlagen erfolgt
  3. und wirtschaftlich nachvollziehbar sind.

Die wirtschaftliche Nachvollziehbarkeit ergibt sich im vorliegenden Fall daraus, dass

  • den nicht an der Ausschüttung partizipierenden Gesellschaftern entsprechende Gewinnvorrechte in künftigen Jahren eingeräumt werden und diese Gewinne im Bilanzgewinn oder in den Gewinnrücklagen thesauriert werden und
  • die Thesaurierung dieser Gewinnanteile mit Liquiditätserfordernissen (insbesondere auch in Bezug auf zukünftige Investitionserfordernisse) der GmbH begründet werden kann.

 


Nach Ansicht des Bundesministeriums für Finanzen sind gespaltene Gewinnverwendungen im engeren Sinn steuerlich anzuerkennen, wenn deren Vornahme gesellschaftsvertraglich gedeckt und wirtschaftlich begründet ist (vgl. in diesem Sinne auch KStR 2013 Rz 549 zu alinearen Gewinnausschüttungen). Von einer wirtschaftlichen Begründung kann insbesondere ausgegangen werden, wenn jenen Gesellschaftern, an die im jeweiligen Jahr keine Gewinne ausgeschüttet werden, entsprechende Gewinnvorrechte in Folgejahren eingeräumt werden und die Thesaurierung der Gewinne aus in der Sphäre der ausschüttenden Gesellschaft liegenden Gründen nachvollziehbar ist (z.B. aufgrund von Liquiditätserfordernissen im Hinblick auf künftige Investitionen).

Das BMF beabsichtigt, die Anfrage zum Anlass zu nehmen, um im Zuge der nächsten Richtlinienwartung eine dahingehende Ergänzung in den KStR aufzunehmen.