Bauleistungen und Reverse Charge Anfrage der KSW vom 6.6.2025
Handelt es sich bei der an die Hauseigentümer verrechneten Gebühr für die Herstellung eines Hausanschlusses um eine Bauleistung iSd § 19 Abs. 1a UStG?
Bejahendenfalls, ist der OAP ein Unternehmer iSd § 19 Abs. 1a UStG,
- a. der vom Hauseigentümer mit der Erbringung von Bauleistungen beauftragt ist, oder
- b. der üblicherweise Bauleistungen erbringt?
Der Zugang zu kabelgebundenem Breitband-Internet wird zunehmend durch den Ausbau von Glasfaser netzen durch sogenannte OAP sichergestellt. Das Geschäftsmodell dieser OAP ist dabei derart ausgestaltet, dass diese im eigenen Namen und auf eigene Rechnung Glasfasernetze auf bzw. unter öffentlichem bzw. privatem Grund errichten und interessierte Hauseigentümer durch sogenannte „Hausanschlüsse“ an dieses Netz angebunden werden. Für die Herstellung dieser Hausanschlüsse verrechnet der OAP an den jeweiligen Hauseigentümer im eigenen Namen eine idR nicht kostendeckende pauschale (Haus-)Anschlussgebühr (kurz „Netzanschlusspauschale“). Der OAP erbringt in der Folge jedoch keine (Telekommunikations)Dienstleistungen an die Hauseigentümer. Vielmehr gewährt der OAP verschiedenen Internet Service Providern entgeltlich Zugang zu seinem Glasfasernetz („Netzvermietung“). Die Internet Service Provider erbringen dann wiederum ihrerseits unter Nutzung des Netzes des OAPs entgeltliche Telekommunikationsdienstleistungen an die Hauseigentümer. Das Geschäftsmodell der OAP ist primär auf die Erzielung von Einkünften aus Netzvermietung an Internet Service Provider ausgerichtet, welche im Endausbau beinahe 100 % der Umsatzerlöse der OAP darstellen. Während der Errichtungsphase des Glasfasernetzes überwiegen dagegen die Umsatzerlöse aus der Netzanschlusspauschale, da in dieser Phase einerseits zahlreiche Hausanschlüsse nahezu zeitgleich hergestellt werden, andererseits die Erlöse aus der Netzvermietung aufgrund der noch geringen Teilnehmerzahl niedrig ausfallen. Abhängig von der Teilnehmeranzahl, der Höhe der Pauschale und dem Umfang des weiteren Netzausbaus überwiegen bei OAPs typischerweise in den ersten 3-5 Jahren ab Beginn der Netzerrichtung die Umsatzerlöse aus der Herstellung von Hausanschlüssen, während danach die Umsatzerlöse aus der Netzvermietung dominieren.
Anmerkungen zu den Fragen & Rechtsansicht:
1) Vorliegen einer Bauleistung
Bei Anschlussgebühren an Kabelnetze handelt es sich gemäß Rz 1284 UStR um eine unselbständige Nebenleistung zur Hauptleistung der Versorgung mit Kabel-TV. Diese Richtlinienaussage ist auf die OAP uE nicht übertragbar, da diese an die Hauseigentümer nachgelagert zur Herstellung des Hausanschlusses keine Leistungen erbringen, sondern ihr Netz an andere Leistungsempfänger, die Internet Service Provider, vermieten. Somit ist die Herstellung des Hausanschlusses umsatzsteuerlich als Hauptleistung anzu- sehen. In Hinblick auf diese Hauptleistung führt die Rz 2602d UStR zu Hausanschlüssen von Gas-, Wasser-, Heizungs- oder Stromversorgungsunternehmen aus, dass dem Grunde nach eine Bauleistung vorliegt. Werden bei „Telefonschlüssen oder Glasfaseranschlüssen“ dagegen nur geringfügige Arbeiten (wie z.B. Befestigung der „Telefonkästen“, Verlegung der Leitungen außer Putz oder in bereits vorgegebene Rohre) gegen eine pauschale Anschlussgebühr erbracht, so liegt nach Rz 2602d UStR keine Bauleistung vor. Die Herstellung der Hausanschlüsse durch OAP umfasst Lieferung und Installation der erforderlichen Materialien einschließlich Installation der „ONT-Box“ im Gebäude des Kunden, aber auch Grabungs- arbeiten vom öffentlichen Netz (idR unter der öffentlichen Straße) bis zum Gebäude des Kunden. Der Anschluss wird Kunden idR zu einem nicht kostendeckenden Pauschalpreis angeboten, da die Errichtung der Hausanschlüsse Voraussetzung dafür ist, dass der OAP nachgelagert Umsätze aus der Vermietung des Netzes erzielen kann. Hausanschlüsse werden idR auch nur bei jenen Hauseigentümern hergestellt, bei denen die ernsthafte Erwartung besteht, dass diese in der Folge Telekommunikations- dienstleistungen von einem Internet Service Provider beziehen und dem OAP damit die Generierung von Vermietungserlösen ermöglichen. Die OAP agieren daher nicht wie typische Bauleistende am Markt, die isoliert aus der Erbringung von Bautätigkeiten Gewinne anstreben. Dies zeigt sich auch an der Preisgestaltung, da Hausanschlüsse idR gegen ein Pauschalentgelt errichtet werden, welches unabhängig vom Umfang der im Einzelfall erforderlichen Bau- und Anschlussarbeiten ist. Auch das Interesse des Kunden ist auf die Anbindung an das Glasfasernetz, aber nicht auf die Durchführung konkreter Baumaßnahmen gerichtet. In Hinblick auf die Ausführungen in Rz 2602d UStR kann daher uE davon ausgegangen werden, dass die OAP typischerweise keine Bauleistungen an die Hauseigentümer erbringen.
2) Qualifizierter Empfänger iSd § 19 Abs. 1a UStG
Sollten die OAP entgegen der Darstellung unter Punkt 1) iZm der Verrechnung von Anschlussgebühren an Hauseigentümer Bauleistungen erbringen, so stellt sich für die Anwendbarkeit des Bauleistungs-Reverse-Charge gemäß § 19 Abs. 1a UStG auf an die OAPs erbrachte Bau(vor)leistungen die Frage, ob die OAP im Einzelfall mit einer Bauleistung beauftragt bzw. allgemein Unternehmer sind, welche üblicherweise Bauleistungen erbringen.
Beantwortung:
Gemäß § 19 Abs. 1a UStG sind unter Bauleistungen alle Leistungen zu verstehen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Reinigung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen. Hinsichtlich Anschlussgebühren wird in UStR Rz 2602d festgehalten, wie Sie es auch in Ihrem Schreiben ausführen, dass Anschlussgebühren für bspw. Heizungsanschlüsse typischerweise als Entgelte für Bauleistungen zu beurteilen sind, sofern es sich nicht nur um geringfügige Arbeiten bei bspw. Glasfaseranschlüssen (z.B. Verlegung der Leitungen außer Putz oder in bereits vorgegebene Rohre) handelt. Vor diesem Hintergrund wird es also für die Beurteilung als Bauleistung entscheidend sein, welchen Umfang die Arbeiten im konkreten Einzelfall haben. Eine allgemeine Beurteilung hiezu kann aufgrund des geschilderten Sachverhalts nicht getroffen werden.
Hinsichtlich der Frage, ob es bei Vorliegen einer Bauleistung zum Übergang der Steuerschuld kommt, ist zunächst für den Fall, dass Bauleistungen an einen Unternehmer erbracht werden, der seinerseits mit der Erbringung von Bauleistungen beauftragt ist, festzuhalten, dass UStR Rz 2602d, wie Sie es in Ihrem Schreiben auch zitieren, hinsichtlich Anschlussgebühren aus Vereinfachungsgründen vorsieht, dass davon ausgegangen werden kann, dass es nicht zum Übergang der Steuerschuld kommt.
Betreffend Unternehmer, die üblicherweise Bauleistungen erbringen, sehen UStR Rz 2602f, abseits der Anknüpfung an Anhang 4 der UStR bzw. Abschnitt F, Unterabschnitt FA, Abteilung 45, der ÖNACE 1995 vor, dass bei der Beurteilung, ob überwiegend Bauleistungen erbracht werden, grundsätzlich von einer Durchschnittsbetrachtung der Umsätze der vorangegangenen drei Jahre auszugehen ist. Wie in Ihrem Schreiben ausgeführt wird, ist im Fall, dass eine Durchschnittsbetrachtung nicht möglich ist (z.B. Beginn der Unternehmertätigkeit), vom Unternehmer eine Vorausbetrachtung anzustellen. Teilt der Unternehmer diese dem Finanzamt mit, bleibt es bei der Vorausbetrachtung, auch wenn sich diese nach Ablauf des Veranlagungszeitraumes als unrichtig herausstellt). Vor dem Hintergrund des dargestellten Geschäftsmodells ist, wenngleich keine abschließende Aussage zu Qualifizierung der gegenständlichen Leistungen als Bauleistung getroffen werden kann, Ihrer Beurteilung zuzustimmen, wonach es nicht zum Übergang der Steuerschuld gemäß § 19 Abs. 1a UStG kommt, da nach der Verwaltungspraxis die übrigen Tatbestandsmerkmale des § 19 Abs. 1a UStG nicht vorliegen werden.