Einordnung von Abgabenansprüchen im Insolvenzverfahren
Anfragebeantwortung vom 30.7.2025
Die nachstehende Anfragebeantwortung beruht auf einer Anfrage des Fachsenats für Sanierungsberatung der Kammer der Steuerberater:innen und Wirtschaftsprüfer:innen. Die Tabelle ist nach Steuerarten gegliedert. In der Spalte 2 „Entstehung des Abgabenanspruchs“ werden die abgabenrechtlichen Bestimmungen angeführt, die für die abgabenrechtliche Tatbestandsverwirklichung maßgeblich sind. In der Spalte 3 „Verwirklichung des Sachverhalts“ wird erläutert, welcher Sachverhalt aus insolvenzrechtlicher Sicht für die Einordnung des Abgabenanspruchs als Insolvenz- oder Masseforderung ausschlaggebend ist. In Spalte 4 erfolgt eine Erläuterung in Form von Beispielen bzw. Anmerkungen. Spalte 5 enthält die Stellungnahme des Bundesministeriums für Finanzen.
| Steuerart | Entstehung des Abgabenanspruchs | Verwirklichung des Sachverhalts | Beispiel/Anmerkung | Stellungnahme des BMF: |
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1. Einkommensteuer / Körperschaftsteuer a) Vorauszahlungen |
§ 4 Abs. 2 lit. a Z 1 BAO: Beginn des Kalendervierteljahres | Laut VwGH: Identität von Sachverhaltsverwirklichung und Tatbestandsverwirklichung zu Quartalsbeginn (1.1., 1.4., 1.7., 1.10.) |
Beispiel: Insolvenzeröffnung: 9.10.x1 Beginn der 4 Quartale des Jahres x1 liegt vor Insolvenzeröffnung: daher sind alle vier Viertel der nicht entrichteten Vorauszahlungen Insolvenzforderungen. Beachte: Nach dem 30.9. ist für das laufende Jahr kein Herabsetzungsantrag mehr möglich. Bei Insolvenzeröffnung vor 1.10. ist die Vorauszahlung für das vierte Quartal eine Masseforderung. |
Nicht entrichtete Vorauszahlungen werden als Masseforderung oder Insolvenzforderung eingeordnet. Die Einordnung, als Masseforderung oder Insolvenzforderung hängt davon ab, ob die Insolvenzeröffnung vor oder nach Quartalsbeginn liegt. |
| b) Veranlagung (gilt auch für die Nachversteuerung von Gewinnfreibetrag und Investitionsfreibetrag und für die Auflösung sonstiger steuerlich anerkannter Rücklagen) | § 4 Abs. 2 lit. a Z 2 BAO: mit Ablauf des Kalenderjahres, soweit der Abgabenanspruch nach Z 1 nicht schon früher entstanden ist (siehe Vorauszahlungen lit. a). |
Laut OGH1: Aufteilung der Steuerschuld nach Maßgabe der verwirklichten Sachverhalte. Laut älterer VwGH-Rsp.: (23.11.1994, 91/13/0259) mit Ablauf des Kalenderjahres (anders jedoch VwGH zur Einordnung der Forschungsprämie: bemessungsgrundlagenproportionale Aufteilung; siehe Punkt Forschungsprämie). |
Beispiel: Insolvenzeröffnung: 9.10.x2 Veranlagung x1: ESt-Nachzahlung = Insolvenzforderung Veranlagung x2: ESt-Nachzahlung per 31.12.x2 ist laut OGH bemessungsgrundlagenproportional in eine Insolvenzforderung und Masseforderung aufzuteilen. Verlustverwertung: Verlustvorträge können gegen Gewinne in Veranlagungszeiträumen, die von einem Insolvenzverfahren betroffen sind, bei Körperschaften zu 100 Prozent verrechnet werden (keine Verlustvortragsgrenze). |
Gegen eine zeitanteilige Aufteilung bestehen aus Vereinfachungsgründen in Fällen, in welchen die Bemessungsgrundlage vor und nach Insolvenzeröffnung nicht erheblich voneinander abweicht, keine Bedenken. Die Zuordnung entrichteter Vorauszahlungen hat der OGH in seiner Grundsatzentscheidung vom 24.08.2011, 3 Ob 103/11k, wie folgt vorgegeben:“Die mit Beginn des jeweiligen Kalendervierteljahres entstehenden Vorauszahlungen sind insolvenzrechtlich den Abgabenforderungen mit derselben insolvenzrechtlichen Qualifikation gegenüberzustellen. Die Vorauszahlungen sind daher mit dem Teil der Einkommensteuerschuld zu verrechnen, der zur selben Vermögensmasse gehört, aus der die Vorauszahlungen entrichtet wurden.” |
| c) Sonderprobleme:
Sanierungsgewinn |
Steuerlich entsteht der Sanierungsgewinn laut VwGH sukzessive nach Maßgabe der Entrichtung der Quoten; die Steuer hierauf entsteht gemäß § 4 Abs. 2 lit. a Z 2 BAO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Quoten entrichtet wurden. |
Unternehmensrecht: Rechtskraft des den Sanierungsplan bestätigenden Beschlusses (Erfassung als sonstiger betrieblicher Ertrag; Angabe des Sanierungs-gewinnbetrags auf noch nicht erfüllte Quotenzahlungen als Eventualverbindlichkeit, unterm Strich – Gefahr des Wiederauflebens). Steuerrecht: Laut VwGH (24.5.1993, 92/15/0041; 23.11.2011, 2009/13/0041): Sukzessive Verwirklichung mit Entrichtung der Quoten. |
Unter Berücksichtigung der Judikatur des OGH ist die Steuer auf den Sanierungsgewinn eine Masseforderung. Unter Berücksichtigung der VwGH-Judikatur ist die Steuer auf den Sanierungsgewinn entweder eine Masseforderung oder bei Entrichtung der Quoten nach Verfahrensaufhebung eine Neu- forderung. Beachte: Für die aus einem Schulderlass resultierenden Gewinne erfolgt die Steuerfestsetzung bzw. Steuerberechnung gemäß § 36 EStG und § 23a KStG. |
Die Rechtsansicht des BMF entspricht jener des VwGH. Die dargelegte Rechtsansicht zu den aus einem Schulderlass resultierenden Gewinnen wird vom BMF geteilt. |
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Forschungsprämie |
Laut VwGH (29.6.2022, Ra 2020/15/0015 i.V.m. 21.11.2013, 2011/150188 zur Bildungsprämie): Tätigung der der Prämie zugrundeliegenden Forschungsaufwendungen. Relevant ist die Einordnung für die Frage der Aufrechenbarkeit. | Unter Berücksichtigung der Judikatur des VwGH hat eine Aufteilung der Forschungsprämie nach Maßgabe der vor und nach Insolvenzeröffnung getätigten Forschungsaufwendungen zu erfolgen. | Das BMF teilt die dargelegte Rechtsansicht. | |
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Mindest-KSt |
§ 24 Abs. 4 Z 1 KStG: Beginn des Kalendervierteljahres. | Laut VwGH: Identität von Sachverhaltsverwirklichung und Tatbestandsverwirklichung zu Quartalsbeginn (1.1., 1.4., 1.7., 1.10.) |
Trotz Insolvenz ist die Mindest-KSt laut VwGH zu entrichten: für Quartale, die nach Insolvenzeröffnung beginnen, ist die Mindest-KSt eine Masseforderung. Beispiel: 1) Insolvenzeröffnung 9.10.x1: Mindest-KSt für x1 ist Insolvenzforderung. 2) Insolvenzeröffnung 5.5.x1: Mindest-KSt für das 1. u. 2. Quartal ist Insolvenzforderung, Mindest-KSt für das 3. u. 4. Quartal ist Masseforderung. |
Das BMF teilt die dargelegte Rechtsansicht – siehe Punkt 1a. |
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Liquidationsbesteuerung (§ 19 KStG) |
Ermittlung des Liquidations- ergebnisses gemäß § 19 KStG – § 4 Abs. 2 lit. a Z 2 BAO: Wenn die Abgabepflicht im Laufe eines Veranlagungszeitraumes erlischt, entsteht der Abgabenanspruch mit dem Zeitpunkt des Erlöschens der Abgabepflicht. Nicht getilgte Verbindlichkeiten sind Teil des Liquidationsendvermögens und führen i.R.d. (insolvenzbedingten) Liquidationsbesteuerung zu keinem steuerpflichtigen Ertrag (siehe VwGH 4.9.2019, Ro 2017/13/0009; Rz 1438 KStR 2013; zu Auflösungstatbeständen bei Gruppenmitgliedern bis 30.9.2019 siehe jedoch Rz 1591b KStR 2013). |
Siehe 1 b). |
Im Rahmen einer insolvenzbedingten Liquidation entsteht mangels Schulderlasses kein Sanierungsgewinn. Die am Ende der Liquidation (noch) bestehenden Verbindlichkeiten sind nicht gewinnwirksam zu erfassen.Ertragsteuerliche Folgen könnten sich aus Verwertungshandlungen während der Liquidation ergeben. Der Liquidationsgewinn ergibt sich aus der Gegenüberstellung von Abwicklungs-Anfangsvermögen und Abwicklungsendvermögen (inkl. nicht getilgter Verbindlichkeiten). Verlustverwertung: Vorhandene Verlustvorträge können mit einem allfälligen Liquidationsgewinn in voller Höhe verrechnet werden. Ein nach der Verrechnung verbleibender (Rest-)Verlustvortrag geht unter. |
Die Rechtsansicht des BMF entspricht jener des VwGH. Weiters vertritt das BMF den Standpunkt, dass die Steuer auf den Liquidationsgewinneine Masseforderung darstellt (sofern sich der Überschuss aus (Verwertungs-)Handlungen des Masseverwalters ergibt). In diesem Fall sind Vorauszahlungen zu leisten, und zwar "auf die endgültige Körperschaftsteuer" (vgl. KStR, Rz 1434). Für noch nicht fällige Masseforderungen hat der Masseverwalter Vorsorge zu treffen (vgl. Feil, Konkursordnung Praxiskommentar, 6. Auflage, § 137 Rz 1). Auch jene Masseforderungen, die voraussichtlich bis zur Rechtskraft des Aufhebungsbeschlusses entstehen werden, sind demnach im Verteilungsentwurf gem § 123a i.V.m. § 124a Abs. 3 IO bzw. § 129 IO zu berücksichtigen. |
| 2. Immobilienertragsteuer (bei natürlichen Personen) | § 4 Abs. 2 lit. a Z 3 BAO: Zeitpunkt des Zufließens der steuerabzugspflichtigen Einkünfte. |
Der den Abgabenanspruch auslösende Sachverhalt ist unter Berücksichtigung der Judikatur des OGH die Veräußerung des Grundstücks. Die ImmoESt ist keine Sondermasseforderung (OGH 28.5.2013, 8 Ob 141/12m; 29.8.2019, 8 Ob 58/19s). |
Die durch Liegenschaftsveräußerungen während des Insolvenzverfahrens entstehende ImmoESt stellt eine Masseforderung dar (vgl. OGH 28.05.2013, 8 Ob 141/12m; 29.08.2019, 8 Ob 58/19s; RIS-Justiz RS0128918). D.h. eine Masseforderung ist die ImmoESt dann, wenn der sie auslösende Sachverhalt während des Insolvenzverfahrens verwirklicht wird (§ 46 Z 2 IO, § 174 IO). Hinsichtlich der ImmoESt ist vom Veräußerer (vom Masseverwalter in nicht eigenverwalteten Insolvenz-verfahren) eine besondere Vorauszahlung zu entrichten, sofern keine Selbstberechnung durch einen Parteienvertreter erfolgt (ist der Masseverwalter ein Rechtsanwalt, könnte auch er selbst als Parteienvertreter die Selbstberechnung vornehmen). Die Ausnahme von der Selbstberechnungsverpflichtung gilt nämlich nicht bei Freihandverkäufen im Rahmen eines Insolvenz-verfahrens (vgl. dazu EStR 2000, Rz 6720; zur ImmoESt in Insolvenzverfahren siehe auch EStR 2000, Rz 6656). |
Das BMF teilt die dargelegte Rechtsansicht. |
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3. Umsatzsteuer a) Vorauszahlungen |
§ 19 Abs. 2 UStG: mit Ablauf des Kalendermonats, in dem die Lieferung oder sonstige Leistung ausgeführt (Sollbesteuerung) bzw. das Entgelt vereinnahmt wurde (Istbesteuerung). |
Ausführung der Lieferung oder sonstigen Leistung. Dies gilt bei Soll- und bei Istbesteuerung (siehe auch Rz 2416 UStR 2000). |
Beispiel (Sollbesteuerung): Ausführung der Leistung: 28.09. Vereinnahmung Entgelt: 12.10. Insolvenzeröffnung: 9.10. → Umsatzsteuer = Insolvenzforderung. Die USt-Zahllast für Oktober ist nach den jeweiligen Lieferzeitpunkten in eine Insolvenzforderung und in eine Masseforderung zu splitten (Beilage zur UVA). |
Das BMF teilt die dargelegte Rechtsansicht, der Zeitpunkt der Lieferung oder sonstigen Leistung als genereller Anknüpfungspunkt ist unstrittig. |
| b) Veranlagung | wie Vorauszahlung. | Ausführung der Lieferung oder sonstigen Leistung. | Für eine etwaige Nachzahlung aufgrund der Veranlagung ist grundsätzlich zu ermitteln, ob die Nachzahlung auf einer Lieferung vor Insolvenzeröffnung (Nachzahlung = Insolvenzforderung) oder nach Insolvenzeröffnung (Nachzahlung = Masseforderung) beruht. | Das BMF teilt die dargelegte Rechtsansicht; praktisch können sich Schwierigkeiten bei der „Spurensuche“ betreffend Abgrenzung von Insolvenzforderung und Masseforderung ergeben. |
| c) Sonderprobleme:
Halbfertige Bauten |
§ 3 i.V.m. § 19 Abs. 2 UStG: mit Ablauf des Kalendermonats, in dem die Verfügungsmacht über das Werk verschafft wurde (Fertigstellung). |
Ausführung der Lieferung oder sonstigen Leistung (= Fertigstellung und Übergabe des [halb-]fertigen Werkes). Rücktritt vom Vertrag gemäß § 21 IO: wirkt zurück auf den Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung (Lieferung des halbfertigen Werkes); (siehe OGH 17.11.1987, 5 Ob 358/87; Rz 426 und Rz 2407 UStR 2000). |
Fertigstellung des Bauwerks vor Insolvenzeröffnung: USt = Insolvenzforderung. Fertigstellung durch Insolvenzverwalter: USt = zur Gänze eine Masseforderung (siehe auch Rz 2408 UStR 2000). Rücktritt des Insolvenzverwalters gemäß § 21 IO: Lieferung des unfertigen Werks mit Insolvenzeröffnung → USt = Insolvenzforderung. | Das BMF teilt die dargelegte Rechtsansicht. |
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Anzahlungen |
§ 19 Abs. 2 Z 1 lit. a UStG: “MindestIstbesteuerung” – Ablauf des Voranmeldungszeitraumes, in dem die Anzahlung vereinnahmt wurde. |
Erhaltene Anzahlungen: Vereinnahmung der Anzahlung. Nach Rz 2416 UStR 2000 liegt bei Vereinnahmung vor Insolvenzeröffnung und Ausführung der Lieferung nach Insolvenzeröffnung hinsichtlich der USt eine Masseforderung vor. Wird die Leistung nicht erbracht (Insolvenzverwalter tritt vom Vertrag zurück), fällt die Steuerschuld weg. Eine aus der Anzahlung vor Insolvenzeröffnung bereits abgeführte USt ist eine Insolvenzgegenforderung (siehe Rz 2417 UStR 2000). Zum Vorsteuerabzug geleistete Anzahlungen vor Insolvenzeröffnung: Tritt der Insolvenzverwalter in den Vertrag ein und wird die Leistung bezogen, ist die noch nicht geltend gemachte Vorsteuer eine Insolvenzgegenforderung (siehe auch Rz 2418 UStR 2000). Bei Rücktritt vom Vertrag fällt der Vorsteueranspruch weg (Insolvenzforderung, siehe auch Rz 2419 UStR 2000). |
Vereinnahmung der Anzahlung vor Insolvenzeröffnung: USt = Insolvenzforderung. Vereinnahmung der Anzahlung nach Insolvenzeröffnung: USt = Masseforderung. | Das BMF teilt die dargelegte Rechtsansicht. |
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Vorsteuerberichtigung gemäß § 16 UStG |
§ 16 Abs. 3 i.V.m. § 16 Abs. 1 UStG: Die Berichtigung ist für den Veranlagungszeitraum vorzunehmen, in dem das Entgelt uneinbringlich wurde. | Verbindlichkeiten des Schuldners: Zeitpunkt der Uneinbringlichkeit des Entgelts = Eintritt der Zahlungsunfähigkeit (Zeitpunkt liegt regelmäßig vor Insolvenzeröffnung; siehe auch Rz 2405 UStR 2000); Vorsteuerberichtigung gemäß § 16 UStG ist eine Insolvenzforderung (Angabe in der UVA für den letzten Voranmeldungszeitraum vor Insolvenzeröffnung). | Die § 16 – Berichtigung stellt im Insolvenzverfahren eine Insolvenzforderung dar, da die Zahlungsunfähigkeit regelmäßig vor Insolvenzeröffnung eintritt. Sofern die Finanzverwaltung den Anspruch zu 100 Prozent als Insolvenzforderung (bedingt) für den letzten Voranmeldungszeitraum vor Insolvenzeröffnung anmeldet, muss die Insolvenzforderung bei Feststehen der Quote auf 100 Prozent abzüglich Quote eingeschränkt werden, da die VSt mit Bezahlung der Quote zu diesem Prozentsatz zu Recht beansprucht wurde. Bei Veranlagung vor Feststehen der Quotenhöhe hat der USt-Bescheid vorläufig gemäß § 200 BAO zu ergehen (siehe Rz 2405 UStR 2000). |
Die Verpflichtung zur Vornahme der Vorsteuerberichtigung sowie die richtige Meldung obliegt dem Masseverwalter. Das BMF teilt die Rechtsansicht, dass der Betrag auf Basis der angebotenen Sanierungsplanquote als (bedingte) Forderung angemeldet werden sollte. Im Liquidationskonkurs erfolgt die Korrektur zu 100 Prozent, erst bei Feststehen der Quote kommt es zur Rückkorrektur. |
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Umsatzsteuerberichtigung gemäß § 16 UStG |
§ 16 Abs. 3 i.V.m. § 16 Abs. 1 UStG: Werden Forderungen des Schuldners uneinbringlich, kann eine Umsatzsteuerkorrektur erfolgen. Die Berichtigung ist für den Veranlagungszeitraum vorzunehmen, in dem das Entgelt uneinbringlich wurde. |
VwGH (20.12.2006, 2006/13/0035; 20.5.2010, 2005/15/0163): Der Eintritt der Uneinbringlichkeit des Entgelts ist maßgeblich.Tritt die Uneinbringlichkeit nach Insolvenzeröffnung über den Schuldner ein, ist die Rückforderung der USt eine Massegegenforderung. Liegt die Ursache z.B. in Mängeleinreden (bzgl. Lieferungen und Leistungen vor Insolvenzeröffnung), liegt eine aufrechenbare Insolvenzgegenforderung vor. Rz 2420 UStR 2000: Bei Uneinbringlichkeit nach Insolvenzeröffnung sei danach zu unterscheiden, ob die USt ursprünglich abgeführt wurde (USt- Rückforderung ist Massegegenforderung) oder nicht (USt-Rückforderung ist Insolvenzgegenforderung). |
Ein Kunde des Schuldners wird nach Insolvenzeröffnung über den Schuldner seinerseits insolvent. Es bestehen offene Forderungen i.H.v. € 120.000 inkl. 20 Prozent USt. Die Quote wird 20 Prozent betragen. Ist die Uneinbringlichkeit nach Insolvenzeröffnung über den Schuldner eingetreten, kann die Umsatzsteuer i.H.v. € 16.000 (80 Prozent) zugunsten der Masse zurückgefordert werden. Anregung: Der VwGH-Judikatur (20.12.2006, 2006/13/0035; 20.5.2010, 2005/15/0163) sollte Rechnung getragen und Rz 2420 UStR 2000 geändert werden (Entfall der Differenzierung nach Maßgabe der Abfuhr/Nicht-Abfuhr der USt). |
Grundsätzlich teilt das BMF die dargelegte Rechtsansicht. Hinsichtlich der Anregung zur Abänderung der Rz 2420 UStR 2000 vertritt das BMF die Ansicht, dass diese Rz nicht im Widerspruch zur angeführten VwGH-Judikatur steht. In den gegenständlichen VwGH-Verfahren stand die in den UStR 2000 getroffene Entscheidung, ob die USt abgeführt wurde oder nicht, nicht zur Diskussion. |
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Eigentumsvorbehalt |
§ 16 Abs. 3 Z 3 i.V.m. § 16 Abs. 1 UStG: Vorsteuerkorrektur, wenn eine steuerpflichtige Lieferung rückgängig gemacht wird. Die Berichtigung ist für den Ver-anlagungszeitraum der Rückgängigmachung vorzunehmen. |
Tritt der Insolvenzverwalter gemäß § 21 IO vom Vertrag zurück, ist die vor Insolvenzeröffnung geltend gemachte Vorsteuer zu korrigieren. Der Rücktritt wirkt auf den Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung zurück, die Vorsteuerkorrektur ist eine Insolvenzforderung (siehe auch Rz 2409 UStR 2000). Erfüllt der Insolvenzverwalter den Vertrag, bleibt der Vorsteuerabzug bestehen (ggf. aufrechenbar gegen Insolvenzgegenforderungen, falls noch nicht geltend gemacht). |
Eine vor Insolvenzeröffnung um € 60.000 inkl. 20 Prozent USt gelieferte Maschine wird nach Insolvenzeröffnung ausgesondert (der Insolvenzverwalter tritt vom Vertrag zurück). Der vor Insolvenzeröffnung i.H.v. € 10.000 vorgenommene Vorsteuerabzug ist zu korrigieren und als Insolvenzforderung anzumelden. Hinweis für die Praxis: Im Falle einer Ersatzaussonderung kann kein (neuerlicher) Vorsteuerabzug zugunsten der Masse vorgenommen werden. |
Das BMF teilt die dargelegte Rechtsansicht. |
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Vorsteuerberichtigung gemäß § 12 Abs. 10 UStG |
§ 12 Abs. 10 UStG: Änderung der Verhältnisse, die für den Vorsteuerabzug maßgeblich waren; Berichtigung für jedes Jahr der Änderung (bei Veräußerung oder Entnahme zur Gänze spätestens im letzten Veranlagungszeitraum). |
Laut OGH 27.11.1997, 8 Ob 2244/96z; 25.2.2000, 8 Ob 144/99f: Zeitpunkt der ehemaligen Vornahme des Vorsteuerabzugs. Laut VwGH 19.10.1999, 98/14/0143 u.a.: Zeitpunkt des Eintritts der Änderung der Verhältnisse (z.B. Zeitpunkt der Grundstücksveräußerung). |
Bei Veräußerung eines Grundstücks nach Insolvenzeröffnung ist die Vorsteuerkorrektur gemäß § 12 Abs.10 UStG nach der Judikatur des OGH eine Insolvenzforderung; nach der Judikatur des VwGH liegt eine Masseforderung vor. Rz 2406 UStR 2000: Wiedergabe der Judikatur des OGH – Einstufung als Insolvenzforderung. |
Das BMF verweist auf die Aussage in der Rz 2406 der UStR 2000. |
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Reverse-Charge-System bei Sicherungseigentum, abgetretenem Eigentumsvorbehalt, Zwangsversteigerung von Grundstücken |
§ 19 Abs. 1b UStG: Übergang der Steuerschuld auf den Empfänger der Leistung unter den in § 19 Abs. 1b genannten Voraussetzungen. Haftung des leistenden Unternehmers. |
Im Falle des Reverse-Charge-Systems entsteht hinsichtlich der USt aufgrund des Übergangs der Steuerschuld (Verwertung durch den Sicherungsnehmer/abgetretenen Vorbehaltseigentümer, sowie bei Zwangsversteigerung von Grundstücken in- und außerhalb der Insolvenz) keine Masseforderung. Sollte die Haftung gemäß § 19 Abs. 1b UStG schlagend werden, entsteht die USt als Masseforderung. |
Eine Liegenschaft wird während des Insolvenzverfahrens kridamäßig unter Option zur USt verwertet (Meistbot: 1 Mio.). Die USt i.H.v. € 200.000 (20 Prozent von 1 Mio.), geht auf den Erwerber über, wenn dieser ein Unternehmer oder eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist. Ist der Erwerber Nichtunternehmer, ist die USt aus dem Meistbot herauszurechnen (€ 166.667 – 20 % aus 1 Mio.) und als (Sonder-)Masseforderung abzuführen. | Das BMF teilt die dargelegte Rechtsansicht. |
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4. Arbeitgeberabgaben: a) Lohnsteuer b) Dienstgeberbeitrag c) Zuschlag zum DB d) Kommunalsteuer (nicht Gegenstand des Abgabenkontos beim Finanzamt) |
Ausschlaggebend für die Entstehung des Anspruches ist die erfolgte Lohnaus-zahlung. a) LSt: § 79 EStG b) DB: § 43 FLAG c) DZ: a+b sinngemäß d) KommSt: § 11 KommStG |
Zahlung von Löhnen. Die Einordnung erfolgt jeweils entsprechend der zugehörigen Arbeitnehmerforderung. Die Zahlung der Masse an den Insolvenz-Entgelt-Fonds kommt der Zahlung an die Dienstnehmer gleich. Dies betrifft auch die Auszahlung von Masseforderungen an den Insolvenz-Entgelt-Fonds – L/DB/DZ stellen dann Masseforderungen dar. |
Zu unterscheiden ist zwischen L/DB/DZ auf vor Insolvenzeröffnung ausbezahlte Bezüge: Diese Abgaben waren bereits vor Insolvenzeröffnung zu melden (fällig), sind auf dem Abgabenkonto zu verbuchen und stellen in weiterer Folge einen unbedingten Anspruch dar (Rückstandsausweis, titulierte Anmeldung im Insolvenzverfahren). L/DB/DZ auf nicht (mehr) ausbezahlte Bezüge sowie L/DB/DZ auf Endigungsansprüche nach § 25 IO sind zwar vor bzw. mit Insolvenzeröffnung bedingt entstanden – es fehlt allerdings die Auszahlung als Bedingung. Diese Ansprüche lassen sich aus den Berechnungen von Arbeiterkammer und Insolvenz-Entgelt-Fonds ermitteln und sind bedingt anzumelden. Der Eintritt der Bedingung ist die Zahlung an den Insolvenz-Entgelt-Fonds bzw. den Dienstnehmer. Berechnung der bedingten Lohnabgaben mit den Sonderbestimmungen des § 67 EStG, kein Rückstandsausweis! Keine titulierte Anmeldung. Die Auszahlung als Bedingung kann auch nur teilweise eintreten. Für die Auszahlung der Quote ist eine Anmeldung erforderlich – keine Auszahlung einer Quote auf eine nicht angemeldete Insolvenzforderung. |
Das BMF teilt die dargelegte Rechtsansicht. |
| 5. Kraftfahrzeugsteuer | § 4 KfzStG: Die Steuerpflicht dauert vom Tag der Zulassung bis zu dem Tag, an dem die Zulassung endet. Die Steuer ist gemäß § 6 Abs. 3 für jedes Quartal selbst zu berechnen. | Halten des zugelassenen KFZ. |
Tageweise Aliquotierung der Steuer – bis Insolvenzeröffnung = Insolvenzforderung, ab Insolvenzeröffnung = Masseforderung. Beispiel: Kraftfahrzeugsteuer für x1: € 10.000 Insolvenzeröffnung: 1.6.x1 Insolvenzforderung = € 10.000 * 151/365 = € 4.137Masseforderung = € 10.000 * 214/365 = € 5.863 |
Das BMF teilt die dargelegte Rechtsansicht. |
| 6. Fremdenverkehrsabgabe / Tourismusabgabe |
Steuergegenstand = Umsatz von Selbständigen, die aus dem Fremdenverkehr Nutzen ziehen und Einkünfte gemäß § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 EStG erzielen. Basis = steuerbarer Umsatz des zweitvorangegangenen Kalenderjahres. |
Bestimmung des relevanten Sachverhalts erscheint nicht möglich. | In der Praxis erfolgt eine tageweise Aliquotierung, wobei die auf die Tage vor Insolvenzeröffnung entfallende Abgabenschuld eine Insolvenzforderung und die auf die Tage nach Insolvenzeröffnung entfallende Abgabenschuld eine Masseforderung darstellt (siehe Beispiel zur KFZ-Steuer). |
Das BMF teilt die dargelegte Rechtsansicht. Betrifft allerdings die Länder/Gemeinden. |
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7. Orts-/Nächtigungstaxe |
Die Steuerschuld entsteht mit Ablauf des Monats, in dem die Nächtigung erfolgte. | Zeitpunkt der Nächtigung. | Nächtigungen vor Insolvenzeröffnung – noch nicht entrichtete Ortstaxe = Insolvenzforderung, Nächtigungen nach Insolvenzeröffnung – Ortstaxe = Masseforderung. |
Das BMF teilt die dargelegte Rechtsansicht. Betrifft allerdings die Gemeinden. |
| 8. Gebühren |
§ 11 GebG: feste Gebühren – mit Überreichung der Eingaben – mit Aushändigung der amtlichen Ausfertigungen – mit Unterzeichnung der Protokolle – mit Unterzeichnung der Zeugnisse § 16 GebG: Gebühren für Rechtsgeschäfte – Errichtung einer Urkunde |
siehe § 11 GebG. Errichtung der Urkunde. |
Amtshandlung, Eingabe etc. nach Insolvenzeröffnung – Gebühr = Masseforderung. Errichtung einer Urkunde nach Insolvenzeröffnung – Gebühr = Masseforderung. |
Das BMF teilt die dargelegte Rechtsansicht. |
| 9. Grundsteuer | § 28a Abs. 1 GrStG: Entstehung des Abgabenanspruchs mit Beginn des Kalenderjahres. | Eigentum an der Liegenschaft zu Beginn des Kalenderjahres. |
Die Grundsteuer für das Jahr der Insolvenzeröffnung stellt grundsätzlich eine Insolvenzforderung dar; aber: § 11 GrStG: dingliche Haftung – gesetzliches Pfandrecht haftet auf dem Steuergegenstand (Absonderungsrecht). Beispiel: Insolvenzeröffnung: 9.10.x1, Aufhebung des Insolvenzverfahrens: 31.3.x2 Grundsteuer x1 = Insolvenzforderung (aber: Absonderungsrecht!), Grundsteuer x2 = Masseforderung. |
Das BMF teilt die dargelegte Rechtsansicht. Betrifft allerdings die Gemeinden. |
| 10. Säumniszuschläge | § 217 BAO: Anspruch auf den ersten Säumniszuschlag entsteht mit Ablauf des Fälligkeitstages einer Abgabe, an dem diese zu entrichten gewesen wäre. Zweiter und dritter Säumniszuschlag – siehe § 217 Abs. 3 BAO. | Nichtentrichtung einer Abgabe am Fälligkeitstag bzw. weitere Säumnis. | Fälligkeit einer als Insolvenzforderung einzustufenden Abgabe vor Insolvenzeröffnung – Säumniszuschlag stellt eine Insolvenzforderung dar (ggf. 2. und 3. Säumniszuschlag); Fälligkeit einer als Insolvenzforderung einzustufenden Abgabe nach Insolvenzeröffnung – Anspruch auf Säumniszuschlag entsteht nicht; Fälligkeit einer als Masseforderung einzustufenden Abgabe – Säumniszuschlag ist Masseforderung (ggf. zweiter und dritter Säumniszuschlag). | Das BMF teilt die dargelegte Rechtsansicht. |
| 11. Anspruchszinsen, in Form von Nachforderungszinsen, Stundungszinsen, Aussetzungszinsen | Für Stundungs- und Aussetzungszinsen entsteht der Abgabenanspruch laufend während jener Zeit, in welcher der Zahlungsaufschub in Anspruch genommen wird. Bei den Anspruchszinsen entsteht der Abgabenanspruch mit Erlassung des sie auslösenden ESt/KSt-Bescheides. |
Bescheide könnten erlassen werden, die Zinsen stellen für den Zeitraum ab Insolvenzeröffnung aber ausgeschlossene Ansprüche dar und sind daher nicht durchsetzbar (§ 58 IO). Dies gilt nicht für Zinsen, die Masseforderungen betreffen; sie stellen ebenfalls Masseforderungen dar und sind aus der Masse zu entrichten. |
Bescheiderlassung über den gesamten Zeitraum, die Zinsen ab Insolvenzeröffnung sind ausgeschlossene Forderungen. Das BMF verweist darauf, dass die Festsetzung nach abgabenrechtlichen Kriterien zu erfolgen hat. Die Berücksichtigung des § 58 Abs. 1 IO kann im Rahmen des Einhebungs-verfahrens erfolgen. |
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| 12. Masseunzulänglichkeit | Gemäß § 124a IO ist eine Masseunzulänglichkeit vom Insolvenzverwalter unverzüglich dem Insolvenzgericht anzuzeigen. Mit der Befriedigung der Massegläubiger ist innezuhalten; nur „Neumasseforderungen“ sind unverzüglich zu befriedigen. Das Insolvenzgericht hat die Masseunzulänglichkeit öffentlich bekannt zu machen. Für „Altmasseforderungen“ ist die Befriedigungsreihenfolge des § 47 Abs. 2 IO anzuwenden. Für die Einordnung als Alt- oder Neumasseforderung gelten die Abgrenzungsregeln für Insolvenzforderungen und Masseforderungen sinngemäß. | Das BMF teilt die dargelegte Rechtsansicht. | ||
[1] Zuständig für die Einordnung von Ansprüchen als Insolvenzforderung oder Masseforderung sind die Insolvenzgerichte (Instanzenzug zum OGH). Die Abgabenbehörden sind für die Frage zuständig, ob der Abgabenanspruch dem Grunde und der Höhe nach zu Recht besteht. Dennoch äußert sich der VwGH im Rahmen der Vorfragenbeurteilung auch zur Einordnung von Abgabenansprüchen als Insolvenzforderung oder Masseforderung (etwa im Rahmen von Beschwerden gegen Haftungsbescheide oder Bescheiden zur Festsetzung von Säumniszuschlägen).