Verfahren zu Produktpiraterie

Ab dem 1. Jänner 2014 sieht die EU-Produktpiraterie-Verordnung 2014 zwei zwingend anzuwendende Verfahren vor, nach denen Waren, die im Verdacht stehen, ein Recht geistigen Eigentums zu verletzen, vernichtet werden können, ohne dass durch ein Gericht in einem Straf- oder Zivilrechtsverfahren die Entscheidung zu treffen ist, ob die Waren tatsächlich ein Recht geistigen Eigentums verletzen.

Allgemeines Verfahren für die Vernichtung von Waren

Nach der Beschlagnahme bzw. nach der Aussetzung der Überlassung wird

  • dem Anmelder oder dem Besitzer der Waren und
  • dem Inhaber der Entscheidung, mit dem ein Tätigwerden der Zollbehörden beantragt wurde,

die Möglichkeit eingeräumt, auf die ansonsten durch ein Gericht in einem Straf- oder Zivilrechtsverfahren zu treffende Entscheidung, ob die Waren tatsächlich ein Recht geistigen Eigentums verletzen, zu verzichten. Dieser Verzicht erfolgt dadurch, dass

  • der Anmelder oder der Besitzer der Waren und
  • der Inhaber der Entscheidung

einer Vernichtung der Waren unter zollamtlicher Überwachung zustimmen.

Für den Anmelder oder den Besitzer der Waren bestehen folgende Möglichkeiten, seine Zustimmung zur sofortigen Vernichtung zu erklären:

  • Die Zustimmung kann ausdrücklich in schriftlicher Form gegenüber der Zollbehörde oder gegenüber dem Rechtsinhaber, der sie dann an die Zollbehörde weiterleitet, abgegeben werden.
  • Die Zustimmung gilt auch dann als erteilt, wenn der Vernichtung nicht innerhalb von zehn Arbeitstagen oder im Fall verderblicher Waren innerhalb von drei Arbeitstagen ab der Zustellung der Mitteilung der Zollbehörde schriftlich widersprochen wird.

Der Inhaber der Entscheidung muss seine Zustimmung zur Vernichtung dem Competence Center Gewerblicher Rechtschutz immer schriftlich bekannt geben. Diese Zustimmung muss die Bestätigung enthalten, dass seines Erachtens ein Recht geistigen Eigentums verletzt ist.

Für die weitere Vorgangsweise ergeben sich dann folgende Möglichkeiten:

  • Sofern alle Beteiligten der Vernichtung zustimmen, werden die Waren auf Kosten und auf Verantwortung des Inhabers der Entscheidung vernichtet oder zerstört oder auf andere Weise ohne Kosten für die Staatskasse aus dem Marktkreislauf genommen.
  • Widerspricht der Anmelder oder der Besitzer der Waren fristgerecht der Vernichtung, kann der Inhaber der Entscheidung – durch außergerichtliche Verhandlungen mit dem Anmelder oder dem Besitzer der Waren – weiter eine Vernichtung unter zollamtlicher Überwachung anstreben. Dazu muss er dem Competence Center Gewerblicher Rechtschutz innerhalb von zehn (bzw. 20) Arbeitstagen (oder im Fall leicht verderblicher Waren innerhalb von drei Arbeitstagen) neben seiner Zustimmung zur sofortigen Vernichtung auch die ausdrückliche schriftliche Zustimmung des Anmelders oder des Besitzers der Waren zur Vernichtung übermitteln. Gelingt eine diesbezügliche Einigung nicht oder wird eine solche vom Inhaber der Entscheidung nicht angestrebt, muss er innerhalb der oa. Fristen ein Straf- oder Zivilrechtsverfahren, in dem (auch) festgestellt werden soll, ob ein Recht geistigen Eigentums verletzt ist, einleiten. Wird das Competence Center Gewerblicher Rechtschutz darüber nicht fristgerecht unterrichtet, sind die Waren von der Zollbehörde zu überlassen.

Verfahren für die Vernichtung von Waren in Kleinsendungen

Um den Verwaltungsaufwand und die Kosten so gering wie möglich zu halten, wurde für Kleinsendungen nachgeahmter und unerlaubt hergestellter Waren ein besonderes Verfahren eingeführt, das eine Vernichtung dieser Waren ohne die ausdrückliche Zustimmung des Inhabers der Entscheidung im jeweiligen Fall ermöglicht.

Dieses Verfahren gilt nur dann, wenn alle folgenden Bedingungen erfüllt sind:

  • es handelt sich um Waren, die im Verdacht stehen, nachgeahmte oder unerlaubt hergestellte Waren zu sein;
  • es handelt sich nicht um verderbliche Waren;
  • es handelt sich um Waren, für die ein Antrag auf Tätigwerden der Zollbehörde vorliegt;
  • der Inhaber der Entscheidung hat in seinem Antrag die Anwendung dieses Verfahrens beantragt;
  • es handelt sich um Waren, die in einer Kleinsendung (Post- oder Eilkuriersendung, die ein Bruttogewicht von weniger als zwei Kilogramm hat oder höchstens drei Einheiten enthält) transportiert werden.

Nach der Beschlagnahme bzw. nach der Aussetzung der Überlassung wird der Anmelder oder der Besitzer der Waren schriftlich informiert,

  • dass die Zollbehörde beabsichtigt, die Waren zu vernichten,
  • dass der Anmelder oder der Besitzer der Waren Gelegenheit hat, innerhalb von zehn Arbeitstagen nach der Zustellung der Mitteilung Stellung zu nehmen,
  • dass die betreffenden Waren vernichtet werden, wenn der Anmelder oder der Besitzer der Waren innerhalb von zehn Arbeitstagen nach der Zustellung der Mitteilung den Zollbehörden seine Zustimmung zur Vernichtung der Waren bestätigt hat, und
  • dass es als Einverständnis zur Vernichtung gilt, wenn weder der Anmelder noch der Besitzer der Waren einen schriftlichen Widerspruch gegen die Vernichtung übermitteln.

Ist der Anmelder oder der Besitzer der Waren mit der Vernichtung der Waren nicht einverstanden, muss er innerhalb von zehn Arbeitstagen nach der Zustellung der Mitteilung der Zollbehörde schriftlich einen Widerspruch einlegen.

Für die weitere Vorgangsweise ergeben sich dann folgende Möglichkeiten:

  • Sofern der Anmelder oder der Besitzer der Waren der Vernichtung zustimmen, werden die Waren vernichtet oder zerstört oder auf andere Weise ohne Kosten für die Staatskasse aus dem Marktkreislauf genommen.
  • Widerspricht der Anmelder oder der Besitzer der Waren fristgerecht der Vernichtung, wird der Inhaber der Entscheidung darüber informiert. Er kann – durch außergerichtliche Verhandlungen mit dem Anmelder oder dem Besitzer der Waren – weiter eine Vernichtung unter zollamtlicher Überwachung anstreben. Dazu muss er dem Competence Center Gewerblicher Rechtschutz innerhalb von zehn Arbeitstagen (diese Frist ist nicht verlängerbar) neben seiner Zustimmung zur sofortigen Vernichtung auch die ausdrückliche schriftliche Zustimmung des Anmelders oder des Besitzers der Waren zur Vernichtung übermitteln. Gelingt eine diesbezügliche Einigung nicht oder wird eine solche vom Inhaber der Entscheidung nicht angestrebt, muss er innerhalb der oa. Frist ein Straf- oder Zivilrechtsverfahren, in dem (auch) festgestellt werden soll, ob ein Recht geistigen Eigentums verletzt ist, einleiten. Wird das Competence Center Gewerblicher Rechtschutz darüber nicht fristgerecht unterrichtet, sind die Waren von der Zollbehörde zu überlassen.